Letzte Station Gnadenhof: Hier dürfen Tiere alt werden
Sigmaringen - Es gibt sie noch, die guten Nachrichten: Auf einem im Jahr 1725 gegründeten Bauernhof, nunmehr in 10. Generation, zogen dieser Tage die Pferde Arrow, Pina und Terry ein.
Auch Hängebauchschwein Rudi fand ein neues Zuhause auf dem Hof der Veganer Philipp und Verena Kienle in Sigmaringen (Zollernalbkreis).
Die betagten Tiere werden ihre letzten Jahre auf dem zu einem "Lebenshof" umfunktionierten Bauernhof leben. Sie entgingen einer Einschläferung oder Schlachtung.
"Die Tiere brauchen keine Gnade, sie sollen einfach nur weiterleben", erklärt der 42-Jährige, warum man sich für den Namen "Lebenshof" anstatt "Gnadenhof" entschieden habe.
Der volle Name des Hofs im Sigmaringer Stadtteil Laiz, dort wo auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (76, Grüne) lebt, lautet jetzt "Lebenshof Farmony".
Kühe waren zu unrentabel
Vor den Pferden lebten auf dem Hof bereits mehrere Kühe. Sie sind laut Philipp Kienle, der Vollzeit in einer nahe gelegenen Metallgießerei arbeitet, noch der Rest aus der früheren Milchviehhaltung, die man aufgegeben habe.
"Milchvieh wurde zunehmend unrentabler bei zu hohen Tierhaltestandards, die man einhalten muss. Die Qualitätsansprüche stiegen immer höher, bei höheren Energiekosten und dann wird das einfach irgendwann unrentabel. Dann habe ich gesagt, ehrenamtlich will ich das nicht machen, wir hören mit der Milchwirtschaft auf", sagt der 42-Jährige.
Die Tiere sind nach Meinung von Philipp Kienle in der heutigen Landwirtschaft eigentlich nur noch Produkte und Maschinen, die Leistung bringen müssen - und wenn sie diese nicht bringen, dann kommen sie weg. "Erst geben sie einem reichlich Milch, und dann kommen sie in den Schlachthof und werden abgeschlachtet", sagt Verena Kienle.
Die 39-Jährige hat ihren Mann überredet, nicht alle Kühe wegzugeben, sondern neben der Wiesenbewirtschaftung, die die Familie weiter betreiben wird, noch andere Tiere aufzunehmen. Geholfen bei der Umstellung habe die gemeinnützige Organisation TransFARMation Deutschland, die Agrarbetriebe dabei unterstützt, Landwirtschaft ohne Tiernutzung zu betreiben.
Spendensammlung für Unkosten des Gnadenhofs
Auf deren Homepage ist auch eine Spendenaktion für den Lebenshof in Sigmaringen eingestellt. Dort hat Verena Kienle folgende Worte verfasst:
"Es ist unser Wunsch, unsere Rinder glücklich zu sehen und mit ihnen möglichst vielen Menschen zu zeigen, wie wertvoll ein Tierleben ist und dass in sogenannten Nutztieren dieselben Seelen stecken wie in Haustieren. Wir möchten mit unserem Hof ein Vorbild sein und sowohl innerhalb unserer Branche als auch für die Konsumenten zeigen, dass tierische Lebensmittel immer mit Leid verbunden sind."
Mit den Spenden sollen kleinere Umbauarbeiten, Aufräumarbeiten und Anschaffungen wie behindertengerechte Toiletten, Schälmaschine und ein Taubenhaus finanziert werden.
Spenden und Taufpaten für die Tiere sollen den eigenen Geldbeutel nicht allzu sehr belasten, sagt das Ehepaar. Der Hof misst zwei Hektar, mit Wiese und Ackerland kommen noch 40 Hektar hinzu.
Um vielleicht noch etwas dazuzuverdienen, haben die Kienles auch noch eine Idee: Sie wollen einen Teil ihrer Wiesen für Tiny-Houses eines Berliner Unternehmens zur Verfügung stellen, das diese an Urlauber vermietet. Das Unternehmen beteiligt Landbesitzer am Umsatz und will expandieren, vielleicht ja nach Sigmaringen.
Titelfoto: Bernd Weißbrod/dpa