Ausgesetzte Babys und kein Futter: Tierheime an der Belastungsgrenze
Magdeburg - Die Tierheime in Sachsen-Anhalt sind überfüllt und kämpfen mit steigenden Haltungs- und Tierarztkosten. Eine Umfrage zeigt, dass viele Einrichtungen keine neuen Tiere mehr aufnehmen können, während die Zahl an herrenlose Tiere weiter zunimmt.
Viele Tierheime in Sachsen-Anhalt sind an ihrer Kapazitätsgrenze. Einige Einrichtungen haben keinen Platz mehr, um neue Hunde, Katzen und Co. aufzunehmen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in größeren Städten ergab.
Gleichzeitig steigt die Zahl der herrenlosen Tiere. "Wir haben jeden Tag bis zu drei Anrufe, alle wollen ihre Tiere abgeben - Hunde, Katzen, Meerschweinchen", sagt eine Sprecherin des Tierheims Wittenberg. Momentan beherbergt das Tierheim etwa 45 Katzen und 13 Hunde. Es gibt keinen Platz mehr, um weitere Tiere zu versorgen.
Gründe hierfür sieht die Sprecherin in den gestiegenen Haltungskosten. "Das Futter wird immer teurer, und die Tierarztkosten sind exorbitant angestiegen. Viele Menschen können es sich einfach nicht mehr leisten, ein Tier zu besitzen".
Doch nicht nur für Tierbesitzer steigen die Haltungskosten, auch für die Tierheime wird das zu einer zunehmenden Herausforderung. Rudolf Giersch, Vorstandsvorsitzender des Tierschutzbundes Sachsen-Anhalt, beklagt: "Die finanzielle Situation ist derartig angespannt, dass viele ehrenamtliche Mitarbeiter die benötigten Mittel aus eigener Tasche bezahlen". Versäumnisse sieht Giersch auch auf Seiten der Politik.
Diese hätte trotz steigender Haltungskosten im Zuge der Inflation die Gelder für Tierheime nicht erhöht.
Tierheime appellieren: Kater müssen kastriert werden, um Katzenbabys zu vermeiden
Ein Problem seien vor allem die vielen herumstreunenden und unkastrierten Kater. Derzeit würden zahlreiche Katzenbabys ausgesetzt, erklärt eine Mitarbeiterin des Tierheims Gardelegen. Sie appelliert eindringlich: "Jeder sollte seine Kater kastrieren lassen". Nur so könnten Anstiege in der Tierpopulation verhindert werden.
Im Tierheim Gardelegen wurden kürzlich erst Katzenbabys abgegeben, die in einer Mülltüte gefunden wurden. Laut der Tierpflegerin ist das Tierheim derzeit voll ausgelastet.
Auch das Tierheim Plömnitz bestätigt das Problem der ausgesetzten Katzenbabys. Viele seien bei der Ankunft im Tierheim in keinem guten Zustand, abgemagert und krank. Im Sommer sei die Chance auf eine schnelle Vermittlung jedoch gering, erklärt eine Mitarbeiterin des Tierheims Plömnitz.
"Die Menschen fahren im Sommer lieber in den Urlaub und genießen das gute Wetter. Zwar können ein paar Katzenbabys erfahrungsgemäß im Herbst vermittelt werden, doch Katzen, die älter als ein Jahr sind, sitzen hier und warten".
Neben der angespannten finanziellen Lage fehlen außerdem in vielen Tierheimen ehrenamtliche Mitarbeiter. Laut Rudolf Giersch liegt das Durchschnittsalter der ehrenamtlichen Mitarbeiter bei etwa 75 Jahren. "Es kommt zu wenig Jugend nach. Es werden Gassigeher und Katzenstreichler benötigt".
Überfüllte Tierheime in Sachsen-Anhalt: "Tierhalter sind überfordert mit der Erziehung ihrer Tiere"
Etwas besser sieht es im städtischen Tierheim der Landeshauptstadt Magdeburg aus. Im Gegensatz zu privaten Tierheimen ist das städtische Tierheim fest in den Haushaltsplan der Stadt eingegliedert und bekommt dementsprechend mehr Gelder bereitgestellt. Ein Aufnahmestopp gibt es bei dem Tierheim nicht.
"Wir arbeiten mit dem Veterinär- und Ordnungsamt zusammen. Wenn Tierhalter beispielsweise versterben oder ins Gefängnis müssen, kommen die Tiere zu uns", erklärt der Leiter des Tierheimes, Andreas Reichardt.
Im Tierheim Magdeburg habe vor allem die Anzahl an Hunden in den letzten Jahren zugenommen, viele davon seien verhaltensauffällig. "Viele Hunde sind nicht sozialisiert. Die Tierhalter waren überfordertet mit der Erziehung ihrer Tiere, das bekommen wir hier deutlich zu spüren".
Reichardt kritisiert, dass gerade junge Menschen oft leichtfertig die Entscheidung träfen, sich einen Hund anzuschaffen - dies sollte jedoch wohlüberlegt sein.
"Bevor man sich einen Hund zulegt, muss man sich erst einmal mit der eigenen Situation auseinandersetzen". Dabei sollte nicht nur die finanzielle Lage, sondern auch die verfügbare Zeit für eine liebevolle Betreuung des Tieres eingehend geprüft werden.
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