Kamele und ein Riesenesel: Diese tierischen Schauspieler müssen nun fleißig proben
Oberammergau - Es sind mächtige Szenen: Bei den gut fünfstündigen Passionsspielen in Oberammergau stehen gelegentlich nicht nur Hunderte Menschen auf der Bühne - sondern auch eine ganze Reihe Tiere.
Zweieinhalb Monate vor der für 14. Mai geplanten Premiere sind mehrere tierische Mitspieler in dem Passionsspielort eingetroffen.
Die Hauptrolle hat Sancho. Der katalanische Riesenesel soll Jesus beim Einzug nach Jerusalem tragen. Schon vor zwei Jahren war Sancho bei einem Bauern direkt hinter dem Festspielhaus eingezogen, um an dem berühmten Laienspiel vom Leben, Sterben und von der Auferstehung Jesu mitzuwirken.
Doch dann wurde die Passion wegen Corona abgesagt. Sancho musste ebenso wie zwei Kamele heimfahren - nach Langerringen nördlich von Landsberg am Lech zu Besitzerin Elke Kerler.
Jetzt sind sie wieder da. Mit ihnen spielen zwei Pferde sowie fünf Ziegen, mehrere Schafe, Enten, Hühner und Tauben mit.
Pilatus und Herodes reiten teils bei ihren Auftritten. Manchmal sind Pferde und Kamele, die mit Herodes-Dienern ihren Part haben, gemeinsam auf der Bühne. Das sei eine Herausforderung, sagt eine Sprecherin der Passionsspiele. "Pferde kennen Kamele nicht - und haben Respekt vor ihnen."
Damit es auf der Bühne ruhig abläuft, müssen die Tiere nun bei den Proben aneinander gewöhnt werden.
"Pferde kennen Kamele nicht - und haben Respekt vor ihnen"
Die Tauben werden bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel gebraucht. Sie werden dabei freigelassen - und fliegen heim. Weit haben sie es nicht: Sie stammen aus Oberammergau und leben unweit des Theaters.
Auch die Ziegen, Schafe, Enten und Hühner sind bei der Tempelszene dabei, sie sind alle aus dem Dorf. Die Pferde kommen aus dem Nachbarort Unterammergau und bekommen für jede Vorstellung einen Shuttle-Service.
Erst vor ein paar Tagen hat Besitzerin Elke Kerler den Esel Sancho sowie die Kamele Nalani und den jungen Siggi im Tiertransporter nach Oberammergau gebracht. Sancho und Nalani, die vor zwei Jahren schon da waren, hätten sich sofort wieder heimisch geführt - und seien in ihren angestammten Stall gelaufen.
"Kamele vergessen nicht - und Esel auch nicht", sagt die gelernte Tierarzthelferin, die mit ihrem Mann die "Kameloase" mit Gnadenhof in Langerringen betreibt.
Der zweijährige Siggi sei allerdings sehr erschrocken, als ihn beim ersten Gang zum Theater ein Kälbchen von nebenan mit "Muh" begrüßte. Der Schreck sei offensichtlich gegenseitig gewesen, sagt Kerler. "Beide waren erstaunt über ihren neuen Nachbarn."
Kerler, deren Kamele schon 2010 bei der Passion mitspielten, hofft, dass die Passion nun endlich stattfinden kann. Es sei auch für sie ein Neustart nach zwei langen Corona-Jahren, in denen der Hof nur mit Spenden überlebte.
Esel hat bereits Bühnenerfahrung und liebt trockene Brezn
Sorge, dass Sancho seine Rolle nicht mehr kann, hat Kerler nicht. Er habe schon bei Ritterspielen und Mittelalter-Märkten mitgewirkt, besitze Bühnenerfahrung - und könne das "aus dem Stegreif".
Schon vor zwei Jahren hatte er Sympathien auf sich gezogen. Vom örtlichen Bäcker bekam Sancho seine Lieblingsspeise: Trockene Brezen. Und Jesus-Darsteller Frederik Mayet, der schon auf ihm probegesessen hatte, meinte nach der Absage der Passion: "Wir holen ihn wieder."
Beim ersten Anlauf auf die Passion vor gut zwei Jahren war debattiert worden, ob der Ritt eines erwachsenen Darstellers auf einem Esel tierschutzwidrig ist - und ob überhaupt noch ein Esel auf die Bühne sollte.
Die Organisation Peta verlangte einen zeitgemäßen Einzug von Jesus nach Jerusalem - zum Beispiel auf einem E-Roller.
Doch die Behörden gaben erneut grünes Licht für den Esel. Das betreffende Tier müsse aber für die Aktion geeignet und stark genug sei, den Jesus die nötige Strecke - ungefähr 30 Meter - zu tragen. Obwohl beide Jesusdarsteller schlank sind, wählte man vorsorglich einen katalanischen Riesenesel. Sancho ist mit 250 Kilogramm und einer Schulterhöhe von 1,40 Metern groß und kräftig.
Der Esel von 2010 war mit gerade mal 1,15 Metern Schulterhöhe erheblich schmächtiger. Er soll dennoch das halbe Jahr mit praktisch täglichen Auftritten gut überstanden haben. Zumindest vor zwei Jahren hieß es, er lebe noch und erfreue sich guter Gesundheit.
Titelfoto: Lino Mirgeler/dpa