Nicht immer nur niedlich: Manche Verhaltensweisen beim Hund haben ernsten Hintergrund
Leipzig/Wien - Den eigenen Schwanz jagen, an fremden Hundepos schnuppern oder stundenlang an den Pfoten lecken: So manches Mal stellen sich Hundebesitzer kopfschüttelnd die Frage: "Warum tut er das nur?" Einige der scheinbar ungewöhnlichen Verhaltensweisen gehen auf die Evolution zurück, andere können Hinweise auf psychische Störungen oder Gesundheitsprobleme sein.
"Grundsätzlich ist es so: Wenn wir ein Tierverhalten betrachten, ist es immer wichtig, das Normalverhalten der Tierart zu kennen", sagt Tierarzt Ronald Lindner aus Leipzig.
Der Mensch empfinde bestimmte Sachen jedoch als unerwünscht und als Verhaltensproblem, "während die eigentlichen Verhaltensstörungen und krankhaften Veränderungen oft gar nicht gesehen oder als solche erkannt werden", so der Autor ("Was Hunde wirklich wollen"). Ein paar Beispiele.
Den eigenen Schwanz jagen
Zunächst einmal kann es sich einfach um ein normales Spielverhalten handeln, gerade bei Welpen. "Junge Hunde lernen sich und ihren Körper kennen und entdecken, dass da noch eine Rute dran ist. Und nach der kann man einfach mal haschen", sagt Lindner. Im weiteren Verlauf des Lebens könne es jedoch auch eine Stresskompensation oder Ausdruck für ein Beschwichtigungsverhalten sein.
Was man bei Welpen noch niedlich findet, kann sich später zu einer schweren Verhaltensstörung entwickeln, warnt Stefanie Riemer, Verhaltensbiologin von "HundeUni - Wissenschaft trifft Praxis" in Wien. Denn Welpen empfinden es als positives Feedback, wenn die Menschen sie bei einem solchen Verhalten beobachten und dabei lachen. Deshalb wiederholen sie es, wenn sie frustriert oder erwartungsvoll sind. Diese Angewohnheit kann dann bis zu einer Zwangsstörung führen.
Deshalb sollte der Mensch frühzeitig auf das Schwanz-Jagen reagieren. Auf Kommandos wie "Nein!" oder "Lass das!" sollte man verzichten. Denn diese können vom Hund missverstanden werden und sogar noch eine verstärkende Wirkung haben.
Stattdessen rät Lindner zum Entzug von angenehmen Dingen: "Am besten den Hund ignorieren und den Raum verlassen." Kommt er hinterher, könnte man ihn "Sitz" machen lassen und dafür belohnen - dadurch werde das andere Verhalten vergessen.
Suchtgefahr beim Hund: Ursachen auf den Grund gehen
Buddeln und lecken
Damit verhält es sich im Grunde wie beim Schwanz-Beißen, sagt Hundeverhaltenstrainerin Alexandra Wischall-Wagner. Mag sein, dass die Menschen es zunächst niedlich fanden, wenn ihre Vierbeiner am Strand einen Tunnel graben oder abends beim Fernsehen ein bisschen an den Pfoten knabbern.
"Durch den Menschen ist solch ein Verhalten aber schlecht verstärkt worden." Denn die Hunde erhalten eine Bestätigung, weil sie Aufmerksamkeit bekommen - und zeigen es daher häufiger.
"Es ist ganz extrem wichtig, dass der Mensch das unterbricht. Sonst kippt der Hund irgendwann in sein Suchtverhalten und kann es nicht mehr stoppen", warnt die Psychologin. Ganz gleich, ob es sich um exzessives Graben handelt oder Pfotenknabbern, bis es blutet: Statt zu schimpfen oder zu bestrafen, sollte man ihn "liebevoll herausholen" aus diesem Wahn und ihn beruhigen.
"Für mich ist immer das Allerwichtigste zu schauen, warum zeigt er dieses Verhalten, was hat er davon, und welche Emotion ist dahinter", sagt die Buchautorin ("Entspannter Mensch - Entspannter Hund"). So müsse man unterscheiden, ob ihm langweilig sei, wenn er mit diesem Verhalten anfange, oder ob er Frust oder Ängste habe und mit der eigenen Unsicherheit nicht klarkomme.
Natürlich müssten auch medizinische Ursachen abgeklärt werden, betont Stefanie Riemer: Stundenlanges Lecken an Pfoten könne auch ein Hinweis auf Schmerzen oder Juckreiz durch eine Allergie sein. Und es gäbe auch Rassen, die spezifische zwanghafte Verhaltensweisen zeigen: Dobermänner neigen etwa zu exzessivem Lecken, Bullterrier hätten die Tendenz, ihren eigenen Schwanz zu jagen.
Hund gestaltet sich "Toilettenplatz" angenehm
Um die eigene Achse drehen
Hundebesitzer kennen das: Erst mal muss sich der Hund um die eigene Achse drehen, bevor er sich auf sein Hundekissen fallen lässt. "Es ist einfach nur ein Komfortverhalten", so Stefanie Riemer. Hunde würden sich auf die Art und Weise ihr Bett zurechtmachen. Besonders ausgiebig tun das oft die, die Schmerzen haben.
Warum sie sich auch drehen müssen, wenn sie ihr großes Geschäft machen, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Sie reichen vom Niedertrampeln des Grases bis hin zur magnetischen Nord-Süd-Achse, nach der sich die Vierbeiner ausrichten.
"Nach einer ersten Studie 2013, die viel Aufsehen erregte, kam 2022 bei einer Untersuchung heraus, dass Hunden beim Kotabsetzen das Magnetfeld vielleicht doch egal ist", so Riemer.
Alexandra Wischall-Wagner vermutet, dass das Drehen dazu dient, sich den Platz angenehmer zu gestalten. "Dass Hunde danach auch noch mit den Hinterläufen scharren, hat vor allem den Sinn, den eigenen Geruch zu verbreiten und das Markierfeld auszuweiten."
Hinzu kommt, dass sie auch Pheromondrüsen an den Pfotenballen besitzen und beim Scharren zusätzlich Moleküle verbreiten, um ihre Duftmarken zu setzen.
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