Darum sind diese Hunde echte Lebensretter
Kirchwald - Die Moorschnucken blöken. Biene und Günther laufen schwanzwedelnd zwischen den Schafen im romantischen Nettetal bei Kirchwald in der Osteifel herum, schauen aufmerksam nach links und rechts.
Die beiden gehören zu den ersten Herdenschutzhunden, die in Rheinland-Pfalz Schafe und Ziegen vor Wölfen schützen sollen. Einst lange ausgerottet, durchstreifen Wölfe wieder das Bundesland. Naturschützer freuen sich über die Rückkehr des scheuen Raubtieres und mehr Artenvielfalt, viele Schäfer eher nicht. Auch in Rheinland-Pfalz kommt es immer wieder zu Schafsrissen durch Wölfe.
Herdenschutzhunde können laut dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium "eine wichtige Ergänzung zu wolfssicheren Zäunen insbesondere für größere Herden sein". Weidetierhalter lassen damit eine uralte Tradition wiederaufleben.
Heike Dahm-Rulf, die mit ihrem Mann Matthias nebenberuflich 150 Moorschnucken und 50 Burenziegen hält, sagt: "Der Auslöser, uns Herdenschutzhunde zuzulegen, war der überfahrene Wolf bei Mainz-Finthen" im Januar 2020. Nach einer unbestätigten Meldung sei auch schon einer dieser Beutegreifer nur sechs Kilometer von ihrem eigenen Betrieb durchgezogen.
Biene und Günther sind Pyrenäen-Berghunde mit weißem Fell. Im Mai haben sie die Prüfung der Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde bestanden. Dahm-Rulf erklärt: "Die Ausbildung dauert zweieinhalb bis drei Jahre. Ein ausgebildeter Hund kostet deshalb ab 3000 Euro aufwärts."
Herdenschutzhunde können in Wolfspräventionsgebieten "eine gute Sache sein"
Herdenschutzhunde müssten in einer Herde geboren werden und aufwachsen. "Ich kann nicht einen solchen Hund einsetzen, der weint, wenn ich weggehe. Diese Hunde müssen einen größeren Bezug zur Herde als zu mir haben." Der Naturschutzbund (Nabu) erläutert: "Noch bevor die Welpen sehen können, riechen sie ihre Mutter und die Tiere, die sie später wie ihre eigene Familie beschützen werden."
Bei einer Attacke von Wölfen oder auch streunenden Hunden auf Weidetiere sollen die recht großen Herdenschutzhunde die Angreifer verbellen und vertreiben. Laut Umweltministerium müssen die vierbeinigen Wächter "selbstständig offensiv agieren können, ohne Befehle vom Menschen zu erhalten.
Auch die jeweilige Herde muss sich an die ständige Präsenz der Hunde und deren Verhalten gewöhnen." Der Umgang mit Herdenschutzhunden sei anspruchsvoll. Die scheidende Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) urteilt: "Damit es nicht zu Unfällen mit Menschen und anderen Hunden kommt, gehört die Haltung und Führung der Tiere deshalb in die Hände von Profis."
Dahm-Rulf sagt, die Bevölkerung von Kirchwald habe ihre inzwischen vier Herdenschutzhunde "super empfangen". Diese laufen hinter dem 1,06 Meter hohen mobilen Zaun der Herde herum. "Die Hunde sind nicht gefährlich, die Hunde sind nicht menschenscharf", betont die Weidetierhalterin. Spaziergänger sollten Herdenschutzhunde wie Hofhunde behandeln und nicht streicheln.
Auch Wanderschäfer Frank Klein in Langenbach bei Kirburg hat zwei Herdenschutzhunde, Luna und Hummel. "Bei uns im Westerwald hat es schon Schafsrisse gegeben. Das kommt immer öfters vor, wir müssen jede Nacht damit rechnen", sagt Klein.
Wölfe sind lernfähig: Der Schutz durch einen Zaun kann somit nur von kurzer Dauer sein
Daher bewachten Luna und Hummel nachts seine 600 Schafe auf einer von einem Elektrozaun umsäumten Weidefläche. An seine anderen Hütehunde, die tagsüber die Schafherde zusammenhielten, seien sie gewöhnt, erklärt Klein.
Der Wanderschäfer betont, er könne sich Wölfe in Ländern wie Kanada oder Russland vorstellen, aber nicht im dicht besiedelten Deutschland. "Wölfe können dazu lernen, zum Beispiel über Zäune zu springen, um Schafe zu reißen, und irgendwann auch kleine Hunde von der Leine zu pflücken."
Der Vorsitzende des Landesverbands der Schafhalter/Ziegenhalter und Züchter Rheinland-Pfalz, Werner Neumann, sagt in Neuwied: "Der Wolf hat hier keine natürlichen Feinde, nur Autos überfahren ihn."
Als wieder heimische seltene Tiere sind Wölfe gesetzlich streng geschützt, dürfen nur in Ausnahmefällen geschossen werden, etwa wenn unmittelbar viele Schafsrisse oder gar Gefährdungen von Menschen drohen. In dünner besiedelten Gebieten können Herdenschutzhunde, für die das Land in sogenannten Wolfspräventionsgebieten eine finanzielle Förderung zahlt, nach Neumanns Worten "eine gute Sache sein."
In der Nähe von Dörfern seien sie aber problematisch, weil sie bei jedem Spaziergänger und auch nachts bei unverhofften Geräuschen laut bellen könnten. Zudem sei nicht nur ihre Anschaffung, sondern auch ihre Haltung teuer.
Auch deswegen seien sie in Rheinland-Pfalz noch kaum bei Schäfern zu finden. Der Verbandschef ergänzt: "Außerdem können Herdenschutzhunde von Wölfen auch ausgetrickst werden."
Titelfoto: dpa/Thomas Frey