Wolfsburg - Wenn am Donnerstag in Wolfsburg Volkswagen und IG Metall zur nächsten Verhandlungsrunde aufeinandertreffen, dürfte es hoch hergehen. Die Ausgangslage ist kompliziert. Ein Überblick.
Volkswagen war schon immer ein ganz besonderes Unternehmen. Ex-Konzernchef Herbert Diess sprach vom "System Volkswagen". Geprägt ist es von einem starken Betriebsrat und dem Land Niedersachsen als wichtigem Anteilseigner.
Dadurch sitze das Land als "unsichtbarer Dritter" immer mit am Verhandlungstisch, sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover lehrt.
Das Land Niedersachsen ist mit 20 Prozent der Stimmrechte zweitgrößter Anteilseigner nach der Holding der Familien Porsche und Piëch (53 Prozent).
Bei wichtigen Entscheidungen hat Niedersachsen ein Veto-Recht in der Hauptversammlung. Das habe für VW auch Vorteile, meint Schwope: "Niedersachsen ist ein zuverlässiger Ankeraktionär, etwas, wonach sich viele andere Unternehmen sehnen."
Das Land stehe aber oft im Zwiespalt: "Zum einen hat es als Anteilseigner natürlich Interesse an einer hohen Dividende. Zum anderen hat es Interesse an möglichst vielen Arbeitsplätzen."
Das "System Volkswagen"
Dass der Betriebsrat so stark ist, liegt vor allem am hohen Organisationsgrad: Mehr als 90 Prozent der Belegschaft ist in der IG Metall, wer bei VW neu anfängt, tritt oft sofort der Gewerkschaft bei.
Die Machtverhältnisse im Aufsichtsrat sind an sich klar geregelt: Die Hälfte der 20 Mitglieder stellen die Kapitaleigner, inklusive der beiden Vertreter des Landes, die andere Hälfte die Belegschaft.
Im Schulterschluss könnten Land und Betriebsrat daher die Eigentümer überstimmen, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.
Die Löhne bei VW sind traditionell höher als im Rest der Metall- und Elektroindustrie. Wie groß der Abstand ist? Darüber gehen die Angaben auseinander. VW spricht laut Betriebsrat von 15 bis 20 Prozent Vorsprung - und fordert nun eine pauschale Kürzung um 10 Prozent.
Der Betriebsrat rechnet dagegen vor, dass der Einstiegslohn eines Ingenieurs nur gut zwei Prozent über dem im Flächentarif liege. Und ein Facharbeiter in der Produktion verdiene nur wenige Euro mehr als ein Kollege im Flächentarif, sofern dieser alle Leistungszulagen erhält.
Für die Krise bei VW gibt es nach Einschätzung Bratzels eine ganze Reihe von Ursachen: ein zu halbherziger Start in die E-Mobilität, hohe Kosten, schwache Auslastung und neue Konkurrenten aus China, die VW lange unterschätzte. Das meiste davon sei nicht neu, aber jahrelang verschleppt worden.
Schwope zeigt sich zuversichtlich, dass die Beteiligten sich auch dieses Mal am Ende zusammenraufen werden. "Es gab bei VW noch nie betriebsbedingte Kündigungen und das wird es auch diesmal nicht geben. Da bin ich mir sicher."