Judenhass macht vielen in Deutschland große Sorgen - Wird er durch Migration noch größer?

Berlin - Antisemitische Einstellungen sind einer neuen wissenschaftlichen Analyse zufolge bei Zuwanderern aus der Türkei und arabischen Ländern verbreiteter als bei Deutschen ohne Migrationshintergrund.

Shelly Meyer (2.v.r.), Vorstand jüdischer studierender Nord e.V., während einer Protestaktion von Hamburger Juden gegen die Berufung von zwei Ruangrupa-Gastprofessoren an die Hochschule für bildende Künste (HBFK).
Shelly Meyer (2.v.r.), Vorstand jüdischer studierender Nord e.V., während einer Protestaktion von Hamburger Juden gegen die Berufung von zwei Ruangrupa-Gastprofessoren an die Hochschule für bildende Künste (HBFK).  © Georg Wendt/dpa

Auch Muslime und Musliminnen in Deutschland nennen demnach antijüdische und antiisraelische Ansichten häufiger. Insgesamt sei die Studienlage jedoch teils widersprüchlich, sagte Sina Arnold vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin am Mittwoch.

Der Mediendienst Integration hatte Arnold gebeten, die Frage zu prüfen, ob Antisemitismus bei Zuwanderern und Muslimen besonders weit verbreitet sei. Hintergrund ist auch eine Demonstration am Osterwochenende in Berlin, bei der nach Angaben von Beobachtern antiisraelische und antisemitische Parolen gerufen worden waren.

Arnold wertete nach eigenen Angaben vorhandene Studien aus den vergangenen zehn Jahren aus. Trotz Unterschieden in Methodik und teils fehlender Differenzierung in der Kategorie "Migrationshintergrund" sieht Arnold Belege für zwei Punkte:

Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende Janina David gestorben
Judentum Schriftstellerin und Holocaust-Überlebende Janina David gestorben

Zuwanderer aus bestimmten Ländern und Muslime nennen häufiger antisemitische Vorurteile als Deutsche ohne Migrationshintergrund.

Dies gilt vor allem beim "klassischen Antisemitismus", also zum Beispiel Vorurteilen über angebliche Eigenschaften und angeblichen Einfluss von Juden.

Bekenntnis zum Islam scheint bei der Einstellung gegenüber Juden ein Faktor zu sein

April 2022: Menschen haben sich zur Abschlusskundgebung des "Marsch des Lebens" gegen Judenhass und Antisemitismus und für Israel vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt.
April 2022: Menschen haben sich zur Abschlusskundgebung des "Marsch des Lebens" gegen Judenhass und Antisemitismus und für Israel vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt.  © Christoph Soeder/dpa

Arnold führte eine Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration von 2022 an, wonach 11,3 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund antijüdischen Stereotypen zustimmen, aber 50,2 Prozent der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.

Auch das Bekenntnis zum Islam scheint bei der Einstellung gegenüber Juden ein Faktor zu sein. Arnold nannte in dem Zusammenhang eine Erhebung der Anti-Defamation League von 2019, in der die Teilnehmer sich zu elf antisemitischen Vorurteilen positionieren sollten.

15 Prozent aller in Deutschland Befragten stimmten dabei sechs oder mehr Vorurteilen zu. Unter jenen, die sich selbst als muslimisch bezeichneten, waren es 49 Prozent. Bei antijüdischen Einstellungen mit Bezug auf Israel ergibt sich nach Arnolds Auswertung ein ähnliches Studienbild.

Antisemitismus-Beauftragter sieht wachsende Gefahr: "Entwicklung, die mich sehr besorgt"
Judentum Antisemitismus-Beauftragter sieht wachsende Gefahr: "Entwicklung, die mich sehr besorgt"

Die Wissenschaftlerin kommt zu dem Schluss: "Die Kategorie "Migrationshintergrund" ist nur bedingt aussagekräftig. Wichtige Faktoren für antisemitische Einstellungen sind, wie lange die jeweiligen Personen bereits in Deutschland leben, ob sie eingebürgert wurden und aus welchem Herkunftsland sie kommen."

Titelfoto: Georg Wendt/dpa

Mehr zum Thema Judentum: