Unbeschwertes Sommerglück dank FDGB-Ferienplatz und Camping: So lief Urlaub in der DDR
Torgau - Wer heutzutage verreisen möchte, sieht sich einer schier unüberschaubaren Vielfalt von Zielen gegenüber. Vorausgesetzt, die Urlaubskasse ist gut gefüllt. In der DDR hingegen konnte man mitunter spottbillig Ferien machen. Allerdings mangelte es massiv an Urlaubsplätzen – nicht nur wegen der eingeschränkten Reisefreiheit. Im Stadtmuseum Torgau eröffnete gerade eine Sonderausstellung, in welcher die aberwitzigen Kuriositäten und Episoden um den "Urlaub in der DDR" liebevoll zusammengetragen wurden. Und in Mittelsachsen gibt es nun einen Anbieter, der auch ganz ostalgisch einen Trabi-Urlaub ermöglicht.
Gleich zu Beginn des Rundgangs fühlt man sich an einen DDR-Campingplatz erinnert. Da steht tatsächlich ein aufgebauter Klappfix. Die Älteren erinnern sich: Das war ein relativ leichter Fahrzeuganhänger, der sogar von Trabant oder Saporoshez gezogen werden konnte.
Mit wenigen Handgriffen zauberte der geübte Bürger ein komfortables Wohnzelt. Diese Legende wurde bis 1990 in Olbernhau hergestellt.
Bei dem Ausstellungs-Klappfix wirkt es so, als sei die Ossi-Familie nur mal kurz zum Baden gegangen. Hier liegen die originalen Matratzen und Decken herum, das typische Plaste-Geschirr oder die Petroleum-Lampe. Neben dem Stern-Rekorder stehen der Juwel-Campingkocher und ein Alu-Wasserkessel.
Vor dem Zelthaus findet man ein Klapprad und ein weiteres Zelt. Wer in so einem schon mal übernachtet hat, sollte sich nicht scheuen, einmal die Nase hineinzustecken – es riecht noch so wie vor 50 Jahren.
Bier und Schnaps als begehrte Tauschobjekte gegen Zeltscheine
Camping war anfangs von den Machthabern nicht so gern gesehen, galt es doch als Produkt des kleinbürgerlichen Kapitalismus. Doch als man merkte, dass es die staatlichen Reiseanbieter entlastete, wurde die entsprechende Konsumgüterproduktion angekurbelt: Luftmatratzen, Zelte, Camping-Stühle. Alles Ressourcen und Platz sparend.
Manche erinnern sich an den einklappbaren Zahnputzbecher aus Plaste, an dessen Bodenrückseite bei der Luxusvariante noch ein Rasierspiegel eingearbeitet war.
Schon bald reichten die Camping-Plätze nicht mehr aus. In vielen begehrten Gegenden musste man im Herbst des Vorjahres beim entsprechenden Rat des Bezirkes einen Zeltschein bestellen, mit dem man einen Stellplatz in der gewünschten Region erhielt.
Man konnte aber sein Glück auch beim Platzwart versuchen – mit einem Kasten gutem Bier, ein paar Flaschen Bergmanns-Fusel oder anderen begehrten Tauschobjekten.
Der Staat räumte seinen Bürgern nicht nur das Recht auf Erholung ein, sondern kümmerte sich auch um Organisation und Finanzierung. Der sozialistische Versorgungsauftrag für die werktätige Bevölkerung wurde dem Gewerkschaftsbund FDGB übertragen. Jahr für Jahr wurden neue Ferienheime mit Vollverpflegung eröffnet.
Beglückte man 1947 noch 17.500 Urlauber, waren es 1989 über 1,8 Millionen. Zu dieser Zeit subventionierte die DDR die staatlich organisierten Reisen mit 550 Millionen Mark im Jahr – wohl ein Beitrag zum Kollaps.
FDGB-Ferienplätze immer Mangelware – Not machte erfinderisch
Und trotzdem reichten die FDGB-Ferienplätze vorne und hinten nicht. Durchschnittlich hatte man aller fünf bis sechs Jahre mal das Glück, von der Betriebs-Gewerkschaftsleitung einen "Ferienscheck" und damit die Zuweisung auf einen Ferienplatz zu ergattern.
Selbst dann, als die eigentlich als Devisenbringer konzipierte Interhotel-Kette ihre Plätze überwiegend an Ossis vergab.
Sicher konnte man auch beim "Reisebüro der DDR" oder "Jugendtourist" buchen, auch hier waren für gewünschte Ziele oft Glück oder Beziehungen vonnöten.
Später boomte dann der Markt von Privatanbietern – das Kinderzimmer, die Gartenlaube oder umgebaute Garagen wurden Urlaubsdomizile. Die waren zwar spartanisch eingerichtet, dafür kostenintensiver als der staatlich organisierte Urlaub.
Ein Beispiel, das damals Furore machte: Auf eine Annonce erhielt ein Anbieter an der Ostsee über 100 Bewerbungen. Seine Antwort an alle: "Ich bevorzuge Urlauber, die mir bei Materialbeschaffung und der Bauausführung behilflich sein können."
Die größten Chancen hatten da Fliesenleger oder Putzer, die drei Tage ihres Urlaubes mit herumpfuschen wollten. Tauschgeschäfte waren damals gang und gäbe.
Auch die Liste, was ein Jungpionier alles mit ins Ferienlager mitnehmen soll (unter anderem Nähzeug), findet man in der Ausstellung dokumentiert. Oder welche Tricks gelernte DDR-Bürger kannten, um bei Auslandsreisen von der dortigen Währung mehr als die vorgeschriebenen Tagessätze zu erhalten.
"Urlaub in der DDR" ist noch bis zum 3. November zu sehen (Eintritt 5 Euro). Mehr Informationen findet Ihr auf der Webseite des Torgauer Stadtmuseums.
Heute kann man den DDR-Retro-Spaß mieten
Wer schon immer mal wie in der DDR zum Campen fahren möchte, findet jetzt ein passendes Angebot: In Zettlitz bei Rochlitz kann man seit wenigen Wochen nicht nur einen Trabi für den Urlaub mieten, sondern auch die entsprechenden Reise-Utensilien des Ostens.
Der Clou: Sogar ein legendäres Dachzelt – die sogenannte "Villa Sachsenruh" – lässt sich dazu buchen.
Sebastian Mai (44) steckt viel Herzblut und Leidenschaft in seine Zweitakter. Und weil die Oldtimer alles andere als normale Mietwagen sind, dürfen die Kunden jetzt auch nicht mal einfach so drauflos tuckern.
Bei der Trabivermietung Sachsen (TVS) erhält jeder Interessierte erst mal eine solide Einweisung – egal ob man den Spaß für zwei Stunden (58 Euro) oder zwei Wochen (950 Euro) bucht.
Für einen Ausflug oder Urlaub kann man sich auch noch die originale Camping-Ausstattung mitnehmen: Sprelacart-Klapptisch, zwei Klappstühle, Geschirrkoffer und Kocherschrank sowie den Gaskocher "Campy 2000" nebst Gasflasche. Auch Trabi-Anhänger oder Pouch-Zelte sowie einen Sonnenschirm kann man mieten.
In der Wiedervereinigungskomödie "Go Trabi Go" mit Wolfgang Stumph (78) staunte besonders das West-Publikum über das Dachzelt, in welchem die Filmfamilie während ihrer Reise nach Italien auf dem himmelblauen Trabi übernachtete. Auch das darf man mieten. Und das dürfte eine absolute Rarität sein und für viel Staunen sorgen.
Denn der Zelthersteller Gerhard Müller (†69) aus Limbach-Oberfrohna, der die Sachsenruh erfand und patentieren ließ, stellte wohl nicht mehr als 1500 dieser Zelte für den Trabi her. Im Sommer 1982 gab es bei Wolkenburg ein Dachzelt-Treffen, bei dem kuriose Fotos entstanden.
Mieten könnt Ihr die Oldtimer samt Dachzelt bei der Trabantvermietung Sachsen.
Titelfoto: Trabantvermietung Sachsen/Klaus Zwingenberger