Zahl der "Reichsbürger" im Südwesten nimmt zu: Wie gewaltbereit sind die Anhänger?
Stuttgart - Die Zahl sogenannter "Reichsbürger" und Selbstverwalter ist laut Verfassungsschutz in Baden-Württemberg gestiegen.
Im vergangenen Jahr nahm sie nach Schätzungen der Sicherheitsbehörde um 200 Männer und Frauen auf insgesamt rund 4000 erfasste Anhänger zu.
Auffällig sei unter anderem der höhere Frauenanteil, heißt es unter anderem im Verfassungsschutzbericht 2023, den Landesinnenminister Thomas Strobl (64, CDU) am Donnerstagvormittag öffentlich vorstellen will.
Lag der Anteil bislang bei etwas weniger als einem Drittel, so legte er demnach im Vergleich zum Vorjahr deutlich auf 38 Prozent zu. Ursache dürfe vor allem die Zeit der Corona-Proteste sein, analysieren die Verfassungsschützer.
Grundsätzlich berufen sich "Reichsbürger" darauf, dass das 1871 mit einem Kaiser an der Spitze gegründete historische Deutsche Reich fortbestehe und nicht mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 untergegangen sei.
Deshalb erkennen sie die Bundesrepublik Deutschland nicht an - und auch nicht deren rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament oder Gesetze. Sie wollen auch keine Steuern, Bußgelder oder Sozialabgaben zahlen.
Teile der "Reichsbürger"-Bewegung können gewalttätig werden
Die gesamte Bewegung gilt als sicherheitsgefährdend und wird seit Herbst 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet. Bundesweit wird die Zahl der "Reichsbürger" auf mehr als 23.000 geschätzt.
Das Landesamt stuft rund zehn Prozent der baden-württembergischen Anhänger als gewaltorientiert ein. Da der Staat in den Augen der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" willkürlich und "rechtswidrig" handele, leiteten sie daraus das Recht beziehungsweise die Pflicht ab, sich gegen diesen zur Wehr zu setzen.
"Bei 'Reichsbürgern' und 'Selbstverwaltern' ist eine Gewaltanwendung grundsätzlich einzukalkulieren", warnt die Sicherheitsbehörde. Eine langfristig geplante Gewalt sei allerdings eher selten.
Ein Teil der Protestbewegung hat sich dem Bericht zufolge auch weiter radikalisiert. Die baden-württembergische Szene bestehe zu drei Vierteln aus Einzelpersonen, rund 25 Prozent hätten sich zusammengeschlossen. Es gebe aber eine hohe Anschlussfähigkeit zu anderen Milieus, wie dem der sogenannten "Querdenker".
Titelfoto: Silas Stein/dpa