Terror-Prozess gegen Reichsbürger-Prinz: Putin als Zeuge?

Frankfurt am Main - Briefe nach Russland, Sitzungsprotokolle, Fantasieausweise: Im Terror-Prozess um die mutmaßliche Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß (72) stehen aktuell Dokumente im Blickpunkt, die in Büro und Haus des Hauptbeschuldigten sichergestellt wurden. Weil es in einigen davon um Kontakte nach Russland geht, schlugen Verteidiger dem Gericht vor, Präsident Wladimir Putin (72) als Zeugen zu laden.

Heinrich XIII. Prinz Reuß (72) muss sich vor dem Oberlandesgericht Frankfurt als Kopf einer mutmaßlichen Gruppe von Reichsbürger-Terroristen verantworten.
Heinrich XIII. Prinz Reuß (72) muss sich vor dem Oberlandesgericht Frankfurt als Kopf einer mutmaßlichen Gruppe von Reichsbürger-Terroristen verantworten.  © Boris Roessler/dpa

Im extra für diesen Prozess errichteten Gerichtsgebäude des Frankfurter Oberlandesgerichts im Stadtteil Sossenheim verlas der Vorsitzende unter anderem einen Brief an Reuß, in dem dieser als "künftiges Staatsoberhaupt" tituliert wird, unterzeichnet von "Ihr Diener".

Gefunden wurde auch der Vordruck eines "vorläufigen Staatsangehörigkeitsausweises", ausgestellt in Frakturschrift auf Basis eines Gesetzes von 1913, unterzeichnet von einer "staatlichen Wahlkommission Reuß", und ein "Ausweis", der es der Polizei untersagt, ihn festzunehmen.

Sichergestellt wurde auch ein Stapel mit Mitgliedsanträgen für "Kompetenz-Teams und Arbeitsgruppen zur Herbeiführung des Weltfriedens". Auf einem Rechner fanden die Beamten eine "Eid-Entbindung", mit der sich Reuß von einem laut Dokument "korrupten und menschenverachtenden System", der BRD, lossagt.

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In einem Brief schrieb Reuß: "Das Kaiserreich von 1918 ist nicht untergegangen" und "das Deutsche Reich ist existent". Er habe es durch die Proklamation seiner Fürstentümer "wieder aktiviert". Gezeigt wurde zudem das Protokoll einer Sitzung des "Übergangsrates", der laut Anklage nach dem geplanten Umsturz die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte.

In einem E-Mail-Verkehr geht es um die Frage, wie "die Anerkennung souveräner Gliedstaaten des Reichs" erreicht werden kann. Reuß schreibt darin, Putin sei "über meine Tätigkeit informiert". Der Anwalt einer Mitangeklagten schlug daraufhin vor, diesen als Zeugen zu laden. Reuß' Anwalt schloss sich dem an und erweiterte die Liste um den Ex-US-Präsidenten Barack Obama (63), der etwas zur Frage der Souveränität Deutschlands beitragen könnte.

Zu den anderen Dokumenten sagte Reuß' Anwalt, diese bewiesen vor allem, dass sein Mandant entgegen der Anklage keinen gewaltsamen Umsturz geplant habe, sondern bestrebt war, seine Ziele friedlich zu verfolgen.

Der russische Präsident Wladimir Putin (72) wurde von den mutmaßlichen Reichsbürgern offenbar als potenzieller Verbündeter angesehen.
Der russische Präsident Wladimir Putin (72) wurde von den mutmaßlichen Reichsbürgern offenbar als potenzieller Verbündeter angesehen.  © Sergei Ilnitsky/Pool EPA/AP/dpa

"Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen"

Mit einer bundesweiten Aktion ging die Polizei im Dezember 2022 gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Gruppe vor. Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde in Frankfurt am Main verhaftet.
Mit einer bundesweiten Aktion ging die Polizei im Dezember 2022 gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Gruppe vor. Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde in Frankfurt am Main verhaftet.  © Boris Roessler/dpa

Briefe an Putin wurden nicht verlesen, aber an Außenminister Sergej Lawrow und einen Mitarbeiter einer russischen Bank. Reuß bittet darin um die Anerkennung seiner Fürstentümer als "erste Gliedstaaten" des Deutschen Reichs sowie seiner Person als Botschafter des Deutschen Reichs.

Die Hilfe Russlands könne "zu einem dauerhaften weltweiten Frieden" führen, so der Absender der verlesenen und eingeblendeten Briefe. "Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen, sondern mangels Verwaltungsstruktur lediglich nicht handlungsfähig."

In Frankfurt wird insgesamt neun Beschuldigten vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Sie sollen einen politischen Umsturz geplant und eine neue Regierung in Grundzügen ausgearbeitet haben.

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Mit zwei parallel laufenden Verfahren in München und Stuttgart müssen sich insgesamt 26 mutmaßliche Verschwörer in dem Komplex verantworten. Bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Titelfoto: Montage: Sergei Ilnitsky/POOL EPA/AP/dpa, Boris Roessler/dpa

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