Dresden - Die sächsische Reichsbürgerszene ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. So viele Anhänger wie derzeit gab es noch nie. Parallel dazu ist die Zahl der von Reichsbürgern verübten Straftaten gesunken. Eine unterschätzte Gefahr?
Anfang Oktober 2024: Ein Großaufgebot der Polizei befreite im erzgebirgischen Seiffen ein Schulkind (damals 7), das in Niedersachsen vermisst gemeldet worden war.
Die Mutter, die zur Reichsbürgerszene gerechnet wird, behauptete, ihr Kind werde durch das "Indigene Volk der Germaniten" unterrichtet. Auf eine staatliche Schule wollte sie es nicht schicken.
Die Szene lehnt die BRD als legitimen Staat sowie die gesamte deutsche Rechtsordnung ab. Anhänger gründen teilweise eigene Banken, eigene Krankenkassen oder eigene Schulen. Aber nicht alle Fälle sind so spektakulär wie der Polizeieinsatz in Seiffen.
Für Aufsehen könnte diese Zahl sorgen: 3100 Personen werden in Sachsen aktuell der Reichsbürgerszene zugeordnet.
Das ergab eine Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, Juliane Nagel (46). 2022 waren es noch 2500, ein Jahr später schon 3000 Personen.
Verfassungsschutz, Polizei und Gerichte haben das Problem erkannt
Nicht nur Verfassungsschutz, Polizei und Gerichte haben das Problem längst erkannt.
"Die Bedrohung durch antidemokratische Kräfte, wie die Reichsbürgerszene sowie rechtsextreme Akteure, stellt nach wie vor die größte Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat dar", so Sozialministerin Petra Köpping (66, SPD) im Rahmen der Jahreskonferenz des Demokratie-Zentrums Sachsen.
Die Landeshauptstadt gilt als Hotspot der Reichsbürgerszene. Bei der dortigen Staatsanwaltschaft häufen sich die Fälle. Im Laufe des vergangenen Jahres hatten in ganz Sachsen 444 Ermittlungsverfahren (2023: 514) einen Reichsbürger-Bezug.
Gegen 240 Personen (2023: 267) wurde ermittelt. Die 81 Straftatbestände reichen von Amtsanmaßung bis Wohnungseinbruchdiebstahl. Das unterstreiche nur die hohe kriminelle Energie, die in der Szene stecke, so Nagel. "Alle müssen das Problem ernst nehmen."