Prozess gegen RAF-Terroristin Klette: Das wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor
Von Mirjam Uhrich, Helen Hoffmann und Christina Sticht
Celle - Mehr als ein Jahr nach ihrer Festnahme in Berlin hat der Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette (66) vor dem Landgericht Verden begonnen. Ihre Anwälte fordern die Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des Haftbefehls.

Gegen die 66-Jährige sei kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess möglich, heißt es in dem Antrag, den die Anwälte am ersten Prozesstag stellten. Die Verteidigung befürchtet ein politisches Verfahren, obwohl aus ihrer Sicht die ehemalige RAF-Mitgliedschaft nicht bewiesen ist.
Allein das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen weise Anzeichen eines Terrorismusverfahrens und damit einer Vorverurteilung Klettes auf, führten die Anwälte aus.
Die Staatsanwaltschaft wirft der 66-Jährigen versuchten Mord unter anderem aus Habgier vor. Die Anklage spricht zudem von versuchtem und vollendetem schweren Raub als "Mitglied einer Bande" sowie von unerlaubtem Waffenbesitz.
Der Gerichtsprozess ist aus Sicherheitsgründen nicht in den Räumen des Landgerichts Verden, sondern im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle. Die Angeklagte wurde hinter einer Glaswand platziert.

Prozess gegen Daniela Klette findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt

Laut Anklage soll die Deutsche 13 Überfälle gemeinsam mit den ehemaligen RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub (70) und Burkhard Garweg (56) begangen haben. Die beiden Männer sind weiter auf der Flucht. Bei den Überfällen soll Klette meistens das Fluchtauto gefahren haben.
Laut Anklage soll das Trio von 1999 bis 2016 Geldtransporter und Kassenbüros in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen haben. Dabei sei das Trio "arbeitsteilig und äußerst konspirativ" vorgegangen, sagte die Staatsanwältin.
Den Ermittlungen zufolge planten sie die Verbrechen genau: Sie sollen unter falschen Namen Fahrzeuge gemietet, die Tatorte ausgespäht und gezeichnet haben. Auch über die Aufteilung der Beute sollen sie im Vorfeld gesprochen haben.
Klette, Garweg und Staub hätten die zeitintensive Planung und die Ausführung der Raubüberfälle als ihre Arbeit angesehen, sagte die Staatsanwältin bei Verlesung der Anklage. Demnach wollten sie mit den Straftaten "ihren Lebensunterhalt" finanzieren. Bei den Taten sollen sie 2,7 Millionen Euro erbeutet haben.
Um Widerstände zu überwinden, hatte das Trio den Ermittlungen zufolge Waffen dabei: Eine täuschend echt aussehende Panzerfaust, Elektroschocker und Pistolen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll das Trio in Kauf genommen haben, Menschen zu verletzen oder zu töten. Laut Anklage bedrohten die drei ihre Opfer.

Beteiligung an Terroranschlägen? Weiterer Prozess gegen Daniela Klette erwartet

Schon seit vielen Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden gegen Klette und ihre mutmaßlichen Komplizen Staub und Garweg. Am 26. Februar 2024 nahmen Einsatzkräfte die ehemalige RAF-Terroristin in Berlin-Kreuzberg fest, wo sie unter falschem Namen lebte. Wo sich die gesuchten Männer aufhalten, ist unbekannt.
Nach Schilderung des Anwalts erfährt Klette in der Untersuchungshaft eine gesonderte Behandlung. Auch bei den Transporten zu den Prozessterminen soll seine Mandantin nach dem Willen der Bundesanwaltschaft immer an Händen und Füßen gefesselt werden. Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte sollen sie begleiten.
Hintergrund der Sicherheitsvorkehrungen ist die Vergangenheit der Angeklagten. Klette gehörte der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF) an.
1998 erklärte sich die RAF, die mehr als 30 Menschen tötete, für aufgelöst. Die nun zu verhandelnden Taten haben keinen terroristischen Hintergrund, wie die Ermittler betonen.
Gegen die 66-Jährige besteht auch Haftbefehl wegen des Verdachts der Beteiligung an Terroranschlägen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord in zwei Fällen sowie Mittäterschaft bei Sprengstoffexplosionen bei drei Anschlägen der RAF in der Zeit von Februar 1990 bis März 1993 vor.
Zu diesem Komplex wird eine weitere Anklage erwartet, die zu einem weiteren Gerichtsprozess führen kann. Die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RAF an sich ist inzwischen verjährt.
Erstmeldung von 8.31 Uhr, aktualisiert um 14.40 Uhr.
Titelfoto: Sina Schuldt/dpa, Wolfgang Rattay/Reuters/Pool/dpa (Bildmontage)