Brix Schaumburg radelt längste Pride der Welt: "Politisch macht mir das große Angst!"

Hamburg – Für seinen allerletzten Zwischenstopp hat Brix Schaumburg am Montagvormittag nach 2090 Kilometern in seinem Heimathafen Hamburg angelegt oder besser gesagt: Der 33-Jährige hat ihn angeradelt. Schon seit rund einem Monat fährt Deutschlands erster geouteter trans Schauspieler auf seinem Bambusrad que(e)r durchs Land. Kurz vor seinem Ziel – Flensburg – ließ Brix seine Reise auf einer Barkasse mit ordentlich Wellengang und zahlreichen Menschen aus der LGBTQI+ Community noch einmal Revue passieren.

Brix Schaumburg (33) mit seinem Bambusrad an den Landungsbrücken 7 am Hamburger Hafen. Sein letzter Zwischenstopp seiner einmonatigen Reise durch Deutschland und die Schweiz.
Brix Schaumburg (33) mit seinem Bambusrad an den Landungsbrücken 7 am Hamburger Hafen. Sein letzter Zwischenstopp seiner einmonatigen Reise durch Deutschland und die Schweiz.  © Stephan Wallocha

Los ging es am 10. September in Zürich und direkt der zweite Stopp in Konstanz stellte Brix Schaumburg vor die erste große Herausforderung: Ein heftiger Sonnenstich knockte den Schauspieler ("Sunny – Wer bist du wirklich?") für drei Tage aus.

Doch Aufgeben kam für Brix genau wie ein Krankenhausbesuch nicht infrage: "Dann hätte es sich erst recht, wie Versagen angefühlt."

Aber von Versagen kann bei den Aktionen des langjährigen Aktivisten für die queere Community nicht die Rede sein. Trotz zahlreichen nicht wetter-, sondern gesellschaftsbedingten Rückschlägen zeigte der Spendentacho am Montag über 6000 Euro an.

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Brix sammelt mit seiner Radtour "Que(e)r durchs Land" zusammen mit dem Verein "WE AID" Spenden für gemeinnützige und ehrenamtliche Organisationen, welche sich für die LGBTQI+ Community engagieren.

Dieses Risiko wollte Brix Schaumburg auf seiner Tour nicht eingehen

Statt mit einer Pride- ging Brix mit seiner ganz eigenen Flagge auf Tour. "Que(er durchs Land" ist auch das Motto seiner Fahrradreise.
Statt mit einer Pride- ging Brix mit seiner ganz eigenen Flagge auf Tour. "Que(er durchs Land" ist auch das Motto seiner Fahrradreise.  © Stephan Wallocha

Aber Brix will nicht nur Spenden, sondern auch Aufmerksamkeit für die Community generieren und Menschen miteinander verbinden. "Mein Spruch ist immer: Lass uns die Menschen akzeptieren, als die Menschen, die wir sind: vielfältig, divers, wunderschön und alle anders", so der 33-Jährige im Gespräch mit TAG24.

Bei bedingungsloser Akzeptanz seines Gegenübers ist die Gesellschaft aber noch lange nicht angekommen. "Wir reden immer von einer Art, egal ob trans, schwul, lesbisch, vegan, vegetarisch oder eben nicht, es gibt diese eine Art nicht. Wenn Du und Ich ab morgen anfangen, einfach mal die positiven Sachen einer Person hervorzuheben, wäre das doch mal ein Anfang."

Mit Ablehnung gegen seine eigene Person, aber auch gegen seine Aktion kennt sich Brix bedauerlicherweise aus. Immer mit der Abneigung der anderen rechnen zu müssen, sei auch einer der Gründe gewesen, warum er sich ohne Pride-Flagge im Gepäck auf den Weg machte.

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"Politisch macht mir das große Angst und die Wahlplakate, die ich auf meiner Tour gesehen habe, waren Wahnsinn", so Brix erschüttert.

"Und außerdem mögen Menschen auf Landstraßen meist sowieso keine Fahrradfahrer und wenn einer von denen gerade Hass auf eine Regenbogenflagge haben sollte, weiß man nicht, ob derjenige einen dann nicht 'aus Versehen' von der Straße fegt. Dieses Risiko wollte ich gar nicht erst eingehen."

"Die Menschen haben mir Nächstenliebe auf einem anderen Level gezeigt!"

Ausgemacht haben die Tour aber vor allem die wundervollen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, die Brix Reise auf Instagram verfolgt haben und ihn zu sich einluden, Gästezimmer zur Verfügung stellten und Lunchpakete schmierten. Oder sogar ein paar Kilometer mitradelten.

"All diese Menschen haben mir Nächstenliebe auf einem anderen Level gezeigt. Warum sind wir nicht alle so zueinander? Warum muss erst einer auf dem Fahrrad kommen, den keiner kennt und alle sind nett zu ihm?"

Einer der schönsten Momente habe sich in Heilbronn abgespielt: Für eine Gruppe von noch nicht geouteten Menschen sei im wahrsten Sinne des Wortes extra ein Raum geschaffen worden, in dem sich am Ende alle sicher fühlten: "Wir haben zusammen gesungen und gekocht, es war einfach toll."

Brix Schaumburg nahm seine Follower auf Instagram auf seine Reise mit

Schaumburg: "Ohne diese Reise hätte ich niemals ein Community-Leben erleben dürfen!"

Im Talk mit Annie Heger (40) ließ Brix Schaumburg (33) auf einer regnerischen Barkassen-Fahrt seine Reise Revue passieren.
Im Talk mit Annie Heger (40) ließ Brix Schaumburg (33) auf einer regnerischen Barkassen-Fahrt seine Reise Revue passieren.  © Madita Eggers/TAG24

Nach über 20 Stopps und fast 2300 Kilometern – übrigens die längste Pride der Welt – endet Brix Reise am Montagabend im queeren Zentrum "Flensbunt" in Flensburg.

Gibt es ein Fazit? "Mir ist aufgefallen, dass ich es mal wieder genossen habe, alleine zu sein. Dafür musste aber erst einmal ein Schalter umfallen", gestand Brix gegenüber TAG24. "Und ohne diese Reise hätte ich niemals ein Community-Leben erleben dürfen, das hatte ich vorher nicht!"

Brix selbst sei durch sein Engagement für viele "eine Säule, ein sicherer Hafen" in der Community geworden, wie Moderatorin Annie Heger (40) es am Montag ausdrückte.

Er selbst lässt sich ebenfalls gerne von anderen inspirieren, zuletzt vom Hamburger Extremsportler Savas Coban (30), der in 87 Tagen durch ganz Peru gelaufen ist.

"Dabei hat er für Geld für Trinkwasserbrunnen gesammelt. Es gibt so viele Leute, die coole Sachen machen, aber viel zu wenig Licht bekommen und ich denke mir dann: 'Du reist da gerade die Bude ab, da mache ich mit!", so Brix.

Zwar schließt er eine weitere Fahrradtour für nächstes Jahr aus, dafür stünden 2024 ganz viele neue Projekte an. "Ich muss mich jetzt erstmal wieder reseten und neu aufladen, aber dann kommen die nächsten Ideen", so Brix gegenüber TAG24. Wer "Que(e)r durchs Land" noch unterstützen will, kann dies unter www.we-aid.org machen.

Titelfoto: Stephan Wallocha

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