Klimawandel verschärft Lage: So stellen sich Brand-Bekämpfer auf die Zukunft ein

Dresden - In der Sächsischen Schweiz, in Nordsachsen, in halb Europa, Kalifornien und Afrika: Überall weltweit kämpfen Feuerwehrleute derzeit mit verheerenden Waldbränden an der vordersten Feuerfront - oft bis zur totalen Erschöpfung. Doch ist das vielleicht erst der Anfang? Klimaforscher glauben, dass Feuer-Infernos weiter zunehmen. Wie sind unsere Feuerwehren darauf vorbereitet?

Klimawandel und Mensch haben ihren Anteil

Flüssige Hilfe aus der Luft beim größten Waldbrand der sächsischen Geschichte: In Schmilka (bei Bad Schandau) flogen diese Woche auch Hubschrauber der Bundespolizei mit Löschwasser-Außenlastbehälter, um den Waldbrand in der Sächsischen Schweiz zu löschen.
Flüssige Hilfe aus der Luft beim größten Waldbrand der sächsischen Geschichte: In Schmilka (bei Bad Schandau) flogen diese Woche auch Hubschrauber der Bundespolizei mit Löschwasser-Außenlastbehälter, um den Waldbrand in der Sächsischen Schweiz zu löschen.  © DPA/Robert Michael

Verheerende Waldbrände werden laut UN-Umweltprogramm (Unep) weiter deutlich zunehmen: "Selbst bei den ehrgeizigsten Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen wird der Planet eine dramatische Zunahme der Häufigkeit von Bedingungen erleben, die extreme Brände begünstigen", heißt es in dem Bericht.

Die 50 beteiligten Klima-Experten gehen davon aus, dass extreme Waldbrände wie 2019/2020 in Australien oder 2020 in der Arktis keine direkte Folge der Erderwärmung sind. Aber die wegen des Klimawandels intensiveren Phasen von Trockenheit und Dürre begünstigen Feuerausbrüche.

Selbst wenn die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten auf zwei Grad begrenzt werden kann, prognostizieren die Klimaforscher eine Zunahme besonders schwerer Brände um neun bis 14 Prozent bis zum Jahr 2030. Bis 2050 rechnen sie mit einem Anstieg um 20 bis 33 Prozent, bis Ende des Jahrhunderts sogar um 31 bis 52 Prozent!

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Der Rauchdetektoren-Entwickler Carsten Brinkschulte (55) weiß: "86 Prozent der Brände werden durch Menschen verursacht und meist dort, wo Leute Zugang zum Wald haben."

Brände entstehen zumeist durch weggeworfene Zigaretten oder heiße Katalysatoren von Autos, die auf ausgetrockneten Waldwegen fahren - oder durch bewusste Brandstiftung. Manchmal explodiert durch die Sommerhitze auch korrodierte Altmunition im Boden. Als natürliche Brandauslöser kommen zudem Blitzeinschläge infrage.

Ausbildung trägt neuen Herausforderungen Rechnung

Erfahrungszuwachs bei Wettkämpfen und Übungen: Nach dem Gruppenführerlehrgang am 15. Juli ging die Landesfeuerwehrschule in die Sommerpause.
Erfahrungszuwachs bei Wettkämpfen und Übungen: Nach dem Gruppenführerlehrgang am 15. Juli ging die Landesfeuerwehrschule in die Sommerpause.  © DFV/Marcus Olbrich

Klimawandel, Hitzesommer, ausgedehnte Dürreperioden und immer länger andauernde Löscheinsätze zwingen die Feuerwehren bei der Brandbekämpfung zum Umdenken.

"So wurden unsere Kameradinnen und Kameraden schon im vergangenen Jahr in aktuellen Grundsätzen der Vegetationsbrandbekämpfung geschult", sagt Brandrat Jan Wolf, Sachgebietsleiter Aus- und Fortbildung Feuerwehr beim Brand- und Katastrophenschutzamt Dresden.

"Jede Einsatzkraft muss unter anderem auch einmal jährlich eine Belastungsübung in einer Atemschutzübungsstrecke und mindestens eine realitätsnahe Einsatzübung unter Atemschutz zum Nachweis der körperlichen Fitness und der Fähigkeiten als Atemschutzgeräteträger absolvieren."

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Geübt und trainiert wird unter anderem an der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule Sachsen (LFS) in Nardt (bei Hoyerswerda). "Für die Aus- und Fortbildung stehen auf unserem 17 Hektar großen Gelände ein Steigerturm, eine Trümmerstrecke, eine Bahnübungsstrecke, zwei Ausbildungstürme, ein Feuerlöschteich, zwei Brandwannen, ein Feststoff-Brandcontainer und ein Brandübungshaus zur Verfügung", sagt LFS-Referatsleiter Sebastian Gläser.

In Nardt halten ganzjährig 32 Ausbilder und Fachlehrer Lehrgänge mit jeweils sieben bis 24 Teilnehmern ab. Manche dauern nur einen Tag, andere sechs Monate. Dann können die Lehrgangsteilnehmer in einem angeschlossenen Internat übernachten.

Dem Klimawandel tragen Lehrgänge wie "Grundlagen der Vegetationsbrandbekämpfung" oder "Einsatzkraft Hochwasserschutz" Rechnung. Dabei werden auch brandneue Brandbekämpfungsmethoden gelehrt. Gläser: "Bei der Vegetationsbrandbekämpfung werden als neue Methode D-Schläuche und die Feuerpatsche eingesetzt."

So ist ein wassergefüllter D-Schlauch drei- bis viermal leichter als ein im Durchmesser größerer C-Schlauch. Damit lässt er sich nicht nur in Hanglagen kräfteschonender über den Waldboden ziehen.

Neue Sensoren können Feuer "erschnüffeln"

Seine solarbetriebenen Gassensoren erkennen Waldbrände in weniger als 60 Minuten: Carsten Brinkschulte (55), Geschäftsführer von Dryad Networks.
Seine solarbetriebenen Gassensoren erkennen Waldbrände in weniger als 60 Minuten: Carsten Brinkschulte (55), Geschäftsführer von Dryad Networks.  © PR/Dryad Networks

Zwei Innovationen sollen helfen, Brände schneller entdecken und schon in der Schwelbrandphase löschen zu können.

Der neuartige Sensor der Firma Dryad Networks (Namensgeber sind Baumnymphen aus der griechischen Mythologie) aus Eberswalde (Brandenburg) soll Waldbrände erschnüffeln.

"Er wird in drei Meter Höhe an Bäumen im Wald angebracht und riecht förmlich, wenn sich ein Brand entwickelt", erklärt Geschäftsführer Carsten Brinkschulte (55).

Anders als herkömmliche Brandmelder für die Wohnung ist der Dryad-Sensor nicht auf Rußpartikel in der Luft dressiert. "Ansonsten könnte es Fehlalarme bei aufgewirbeltem Staub eines vorbeifahrenden Traktors geben", sagt Brinkschulte.

In seinem weltweit einzigartigen Sensor erkennen vielmehr Gassensoren Wasserstoff und Kohlendioxid, wie sie bei Bränden freigesetzt werden. "Der Sensor überlebt bis zu 15 Jahre im Wald, wird über Solarzellen mit Strom versorgt."

Je mehr Sensoren schnüffeln, desto eher können sie einen Brand entdecken. Brinkschulte: "Im Idealfall sollte aller 100 Meter ein Baum mit einem Sensor stehen." Für die knapp 500.000 Hektar Waldfläche in Sachsen wären also eine halbe Million Sensoren (Stückpreis: 48 Euro) notwendig. Investitionskosten: 24 Mio. Euro. "20 Mio. Euro kosten allerdings auch die bislang üblichen Kameraüberwachungssysteme", hält Brinkschulte dagegen.

Bislang sind seine Schnüffeldetektoren in Spanien, Griechenland, der Türkei, Südkorea und den USA im Einsatz. Nebeneffekt der Großfeuer in der Sächsischen Schweiz: Morgen ist Brinkschulte zu Verhandlungen über seinen Sensor nach Sachsen eingeladen.

Überwachung aus dem Weltall

Soll Waldbrände aus dem All erkennen: Der erste Minisatellit FOREST-1 startete im Januar in Florida in den Orbit.
Soll Waldbrände aus dem All erkennen: Der erste Minisatellit FOREST-1 startete im Januar in Florida in den Orbit.  © OroraTech

Das Münchner Start-up Orora Tech will Brände aus dem All erspähen.

Dafür scannen Mini-Satelliten in 600 Kilometern Höhe flächendeckend die Erdoberfläche - permanent zu jeder Tag- und Nachtzeit.

Eine Infrarot-Wärmebildkamera an Bord der Satelliten funkt SOS, wenn sie Rauchnester am Boden ausmacht.

Eine Armada aus rund 100 Satelliten im Schuhkartonformat soll in den kommenden Jahren startklar sein.

Kosten für das Frühwarnsystem aus dem All: mehrere Millionen Euro.

Hilfe, fast überall brennt's!

Jeder rote Punkt ist ein Feuer: Auf der NASA-Satellitenkarte ist das Ausmaß der aktuellen Waldbrände in Europa erschreckend genau sichtbar.
Jeder rote Punkt ist ein Feuer: Auf der NASA-Satellitenkarte ist das Ausmaß der aktuellen Waldbrände in Europa erschreckend genau sichtbar.  © NASA

Allein in Europa haben Waldbrände in diesem Jahr schon mehr Fläche vernichtet als im gesamten Jahr 2021. Laut Europäischem Waldbrandinformationssystem (Effis) sind in der EU seit Jahresstart über 517.000 Hektar verbrannt - eine Fläche etwa zweimal so groß wie das Saarland!

Wälder brennen nicht nur in Italien, Frankreich und Sibirien. Auf Lesbos ist ein Feuer wieder aufgeflammt. Am Mittwoch musste ein Dorf evakuiert werden. In Spanien sind bislang 190.000 Hektar versengt. Im Kongo stehen 100.000 Hektar in Flammen. In Kalifornien wütet das Oak Fire auf 7000 Hektar.

Rund 200 Feuerwehrleute aus sechs Ländern wollten in Griechenland trainieren, dann kam das Feuer und aus der Übung wurde ein Ernstfall.

Kreisbrandmeister Stefan Hermann aus dem Zollernalbkreis ist einer von 15 Kameraden eines Teams aus Baden-Württemberg: "Sehr anstrengend, sehr interessant, sehr beeindruckend!"

Hier buckeln die Kollegen zum Beispiel Wasserrucksäcke für kleinere Brände in unwegsamem Gebiet. Vielleicht auch bald hierzulande üblich?!

Tipps zur Brandvermeidung

Achtlos weggeworfene Zigarettenstummel können bei der aktuellen Hitze und Trockenheit großes Unheil anrichten.
Achtlos weggeworfene Zigarettenstummel können bei der aktuellen Hitze und Trockenheit großes Unheil anrichten.  © dpa/Patrick Pleul

Keine Zigaretten oder andere brennende Gegenstände in die Natur werfen - erst recht nicht aus dem Fahrzeug! Schnell kommt es zu einem Böschungsbrand an der Fahrbahn.

• Niemals Fahrzeuge mit heißen Abgasanlagen auf trockenen Feldern oder Wiesen stehen lassen - die Vegetation könnte sich daran entzünden. Dies betrifft neben allen Modellen mit am Fahrzeugboden liegenden Katalysatoren (viele Pkw mit Otto-Motoren) künftig auch immer mehr Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro VI. Werden diese in den Regenerationsmodus geschaltet, können hohe Temperaturen auftreten.

• In der Natur nur auf dafür ausgewiesenen Plätzen grillen.

• Brände oder Rauchentwicklungen sofort über Notruf 112 melden. Hindern Sie Entstehungsbrände durch eigene Löschversuche an der weiteren Ausbreitung, wenn Sie sich dabei nicht selbst in Gefahr bringen.

Können eigentlich Glasscherben im Wald einen Brand auslösen? "Das ist eher unwahrscheinlich", sagt Feuerwehr-Experte Karl-Heinz Banse (60). "Dafür müsste es geschliffenes Glas sein und die Sonne in einem ganz bestimmten Winkel auftreffen."

Titelfoto: Montage: dpa/Robert Michael, NASA, DFV/Marcus Olbrich, dpa/Patrick Pleul

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