Wer hat Schuld an fehlenden Flutpoldern? Söder knallhart: Problem "sind halt die Bürger"
Augsburg - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (57, CSU) steht derzeit enorm in der Kritik. Das Wut-Thema ist das Flut-Thema. Denn der Vorwurf lautet: Der Freistaat hat den Hochwasserschutz extrem vernachlässigt.
In sozialen, aber ebenfalls privaten und öffentlich-rechtlichen Medien wird bei den Überflutungen in Bayern aktuell auch auf das Jahr 2018 verwiesen.
Es ist nicht nur genau das Jahr, in dem Söder zum Ministerpräsidenten wurde, es ist auch das, in dem wichtige Schutzprojekte eingespart oder gestrichen worden sein sollen - auf Druck der Freien Wähler.
Söder weist das von sich und verteidigt die bisherigen Schutzmaßnahmen im Freistaat.
"Wir setzen insgesamt auf einen umfassenden Hochwasserschutz - mit technischen und natürlichen Maßnahmen. Aber es gibt leider nie eine Garantie für hundertprozentigen Schutz", erklärte der Landesvater im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" vom Donnerstag.
Dass es Debatten zu Schutzprojekten gab, schob er ohne Umschweife dem Koalitionspartner in die Schuhe: "Wahr ist, dass es vor allem bei den Freien Wählern grundsätzliche Debatten zur gesamten Polderstrategie gab. Inzwischen ist das anders." Er kündigte zudem an: "Wir werden auch mehr Geld in den dezentralen Hochwasserschutz in den Gemeinden stecken müssen."
Der Rotstift von damals scheint nun teuer zu werden.
"Kommunaler Hochwasser-Check" sollen in Bayern helfen
Bayern wird "100 Millionen Euro plus X"-Soforthilfe in den betroffenen Gebieten zeitnah bereitstellen.
Bei den Überschwemmungen vor drei Jahren in Deutschland lagen die entstandenen Schäden am Ende allerdings bei rund 300 Millionen Euro. Wohl dem also, der sich hoch genug versichern konnte.
Sein Stellvertreter, Hubert Aiwanger (53, Freie Wähler), der wie Söder seit Monaten gegen eine angebliche "Klimahysterie" und grüne Politik enormen Populismus betreibt, scheint angesichts der jüngsten - und zu erwartenden - Ereignisse das Thema plötzlich doch ernst nehmen zu wollen.
Zumindest, was die Schutzmaßnahmen betrifft. "Es sind meist sehr punktuelle Hochwasser gewesen. Auch in Gebieten, wo man seit Jahrhunderten kein Hochwasser hatte. Aber auch Gebiete, die es immer wieder erwischt", sagte er im BR-Podcast "Thema des Tages".
Nun möchte man "dezentrale Rückhaltemaßnahmen" vorantreiben: Jedes Dorf, jede Region soll dementsprechend geprüft werden. Es gelte herauszufinden, welche Gefahren drohen und wie man das Schlimmste letztlich doch verhindern könne.
Auch der Ministerpräsident spricht sich für diesen "kommunalen Hochwasser-Check" aus.
Söder seinerseits schob den Schwarzen Peter beim Thema Flutpolder derweil in eine gänzlich andere Richtung: "Die Realität ist aber auch, dass es vor Ort oft große Widerstände gegen den Bau von Poldern gibt", sagte der Politiker.
Markus Söder kritisiert Bürger in Bayern, Hubert Aiwanger will Polder-Projekte angehen
Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk meinte er in einem TV-Interview vielsagend: "Die Schwierigkeit mit den Poldern ist jetzt nicht eine politische Gruppierung. Sondern es sind halt Bürger."
Alle seien für die entsprechenden Projekte, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür, warf der CSU-Chef den Menschen in Bayern sinngemäß vor.
Der Freistaat selbst würde vorbildlich handeln.
Zum Verständnis: Flutpolder sind Flächen, die mit Deichen abgegrenzt sind und bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden können.
Auf die Frage, ob man diese Soforthilfen künftig nicht lieber gleich in die Prävention stecken wolle, meinte Aiwanger: "Natürlich wollen wir das."
Es sollen jetzt die Polder-Projekte schnellstmöglich umgesetzt werden. Er blieb jedoch seinem Anti-Grünen-Kurs weiterhin treu und unterstrich, dass E-Autos und Wärmepumpen diese Katastrophen im Land auch nicht verhindert hätten: "Das ist Käse."
Und das stimmt - hat aber auch niemand behauptet.
Laut Klimafolgenforschern hat man wichtige Maßnahmen gegen den menschengemachten Klimawandel seit einigen Jahrzehnten verschlafen und ignoriert. Das aber immerhin nicht nur in Bayern, sondern weltweit. Was für ein Trost.
Titelfoto: Montage: Sven Hoppe/dpa + Armin Weigel/dpa