Vernichtendes Urteil: Status quo in NRW nach Hochwasserkatastrophe vor drei Jahren fast unverändert
Von Maximilian von Klenze
Düsseldorf - Mehr als drei Jahre nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe wäre Nordrhein-Westfalen bei einem vergleichbaren Ereignis nach Ansicht eines Experten heute kaum besser vorbereitet.
"Die Warnsysteme haben sich verbessert, aber beim Hochwasserschutz selbst sind wir noch nicht viel weiter", sagte der Hochwasserexperte Holger Schüttrumpf von der RWTH Aachen der Deutschen Presse-Agentur.
Sollte es noch mal zu einer Katastrophe kommen, würde die Zahl der Todesopfer dank besserer Warnungen wahrscheinlich geringer ausfallen, die Sachschäden jedoch wären wohl genauso hoch, meint Schüttrumpf.
Trotz intensiver Planungen und zahlreicher angepeilter Bauprojekte fehlt es dem Experten zufolge bislang vielerorts an ausreichendem Hochwasserschutz etwa durch Hochwasserrückhaltebecken.
Grund dafür seien langatmige Planfeststellungsverfahren und der Natur- oder Denkmalschutz, die viele Projekte erheblich verzögern würden. Ein Beispiel sei der geplante Bau zweier Hochwasserrückhaltebecken in der Eifel.
Dort hätte man auf einer Fläche von einigen 100 Quadratzentimetern – etwa die Größe eines Blumentopfes – das seltene lappländische Kluftmoos entdeckt, eine auf der Roten Liste stehende Art. Der Bau könne erst weitergehen, wenn das Moos erfolgreich umgesiedelt wurde.
Experte Holger Schüttrumpf sieht fehlende Priorisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen als Grundproblem
Für Schüttrumpf ist dieser Fall symptomatisch für ein Grundproblem bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen: die fehlende Priorisierung. Natur- und Denkmalschutz seien wichtig, aber wenn es um den Schutz von Menschenleben gehe, müssten klarere Prioritäten gesetzt werden.
Ein weiteres Defizit sieht der Experte bei der Verhaltensvorsorge. Warnsysteme wie das Hochwasserportal-NRW und die Warn-App seien zwar ausgebaut worden, aber viele Bürgerinnen und Bürger wüssten dennoch nicht, wie sie sich bei Hochwasser richtig schützen können. "Wir wissen alle genau, was passiert, wenn der Brandmelder anschlägt. Wir wissen aber nicht, was zu tun ist im Hochwasserfall. Das haben wir nie trainiert."
Das NRW-Umweltministerium teilte auf Anfrage mit, die Zuständigkeit für Hochwasserschutz liege bei den Kommunen und Deichverbänden.
Es seien dort 2024 mehr als 320 Maßnahmen "in der Umsetzung", darunter 120 bauliche Maßnahmen. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr vier Maßnahmen: das Stiftswehr in Lippstadt, ein Schöpfwerk und Deichsanierungen in Kleve und Xanten sowie ein Rückhaltebecken in Dortmund-Ellinghausen.
Um die Planungen zu beschleunigen, habe man nach dem Hochwasser neue Stellen in der Verwaltung geschaffen und mache sich bei der Umweltministerkonferenz dafür stark, Hochwasserschutzmaßnahmen als Projekte von überragendem öffentlichem Interesse einstufen zu können.
Titelfoto: Marius Becker/dpa