Nach Krebsdiagnose und Überfall: Sächsischer Radler erfüllt sich Traum
Dresden - Geschafft. Erst besiegte Philipp Markgraf mit seinem Fahrrad den Krebs, dann wurde er brutal überfallen - jetzt hat er eines der schwersten Selbstversorger-Radrennen der Welt erfolgreich absolviert – das Silk Road Mountain Race (Seidenstraßenrennen) in Kirgisistan. Bis dahin war es ein langer, steiniger Weg.
"Ich kann gar nicht glauben, dass es vorbei ist – so geil", entfährt es Philipp auf den letzten Kilometern vor der Ziellinie im kirgisischen Örtchen Balaktschy.
Er hat sich über 1850 Kilometer und 34.000 Höhenmeter, durch blitzartig wechselndes Wetter, von Hitze, Hagel, Schnee und Regen gekämpft und 4000 Meter hohe Gebirgspässe und Hunderte Kilometer lange Täler ohne Verpflegungspunkte oder echte Wege auf seinem Gravel-Bikepacking-Rad überwunden.
Er schlief in Jurten und Zelten der Nomaden, lieferte sich mit Reitern Wettrennen, trank aus den glasklaren Bergflüssen und genoss trotz der Anstrengung die Einsamkeit der Berge.
Langsam realisiert Philipp, dass er in wenigen Minuten, nach 11 Tagen, 17 Stunden und 27 Minuten das Silk Road Mountain Race beenden wird, was nur 50 Prozent der Starter geschafft haben.
Philipp brach die Chemotherapie ab
Sein langer Weg bis zum nächtlichen Ziel-Applaus am Issyk-Kul See begann Jahre zuvor, im Herbst 2014, mit einer erschütternden Krebsdiagnose: Keimzelltumor mit Metastasen im Unterleib - und das mit 24 Jahren.
Philipps Leben war bis dahin in bester Ordnung. Seit drei Jahren studierte der gebürtige Münchner in Dresden Architektur, war frisch verheiratet und Sänger im berühmten Dresdner Kammerchor. Und er hatte das Rennradfahren für sich entdeckt.
Nach einem Jahr im Krankenhaus und mehreren OPs konnte er nicht mehr. Brach, entgegen dem Rat aller Ärzte, die Chemotherapie ab und ging seinen eigenen Weg.
Stellte auf eine vegetarische und vollwertige Ernährung um, fing an richtig Rad zu fahren und plante für 2019 eine Bikepacking-Reise über die höchsten Straßen dieser Welt bis nach Indien. Unterwegs erfuhr er vom berüchtigten Rennen in Kirgisistan.
Überfall im Iran
Der Nicht-Sportler und Kulturmensch, der noch nie an einem Wettkampf teilgenommen hatte, war begeistert und wollte direkt zu der herausfordernden Veranstaltung mit seinem Rad anreisen.
Doch im Juli 2019 wurde er jäh aus seinem Traum gerissen: Im gastfreundlichen, immer hilfsbereiten Iran wurde Philipp nachts von Jugendlichen im Zelt überfallen und wachte schwer am Kopf verletzt in einem Krankenhaus wieder auf.
Eine Welle iranischer Hilfsbereitschaft brach über ihn herein. Seine Reise mit Ziel Kirgisistan fand jedoch erst einmal ein jähes Ende. Ein neuer Anlauf 2020 scheiterte an der Corona-Pandemie, doch in diesem Jahr war es endlich so weit.
Am 14. August starteten 100 Teilnehmer auf die fest vorgegebene Route in eine lauwarme kirgisische Nacht. Mit dabei: Philipp Markgraf. Er hat seinen Kampf gegen den Krebs gewonnen - und seinen Traum im wilden Tian-Shan Gebirge verwirklicht.
Ein Rennen für Selbstversorger
Das Silk Road Mountain Race ist ein sogenanntes Selbstversorger-Rennen. Wegen der langen und schweren Streckenführung durchs Tian-Shan-Gebirge und die kaum vorhandene Infrastruktur gilt es als eine der härtesten Radtouren der Welt.
Die internationalen Teilnehmer erhalten eine vorgegebene Strecke, welche sie mit ihren Navigationsgeräten abfahren müssen. Dabei dürfen sie von außen keine organisierte Hilfe annehmen und müssen sich unterwegs um alles selbst kümmern, wie u.a. Verpflegung oder Unterkunft. Die Teilnehmer transportieren alles selbst, wie Zelt, Kocher, Allwetterbekleidung, Verpflegung etc.
Philipp Markgraf hat das Rennen gemeinsam mit dem Redakteur Markus Weinberg bestritten. Am Ende belegten sie den dritten Gesamtrang bei den Teams.
Titelfoto: Montage: Markus Weinberg