Kommentar zur Prügelei im Berliner Freibad: Wenn der Hitzeschlag mit der Faust zur Regel wird
Berlin - Aufgeheizte Stimmung in Berlin! Erneut kam es dort zu einer heftigen Schlägerei. Wieder in einem Freibad, wieder in Neukölln, woran sich Protest in den kräftigsten Farben entlädt. Nichts sagt mehr über den Zustand einer Stadt aus als seine Warteschlangen. Ein Kommentar.
Ich kenne das von Negativschlagzeilen geprägte Sommerbad Neukölln am Columbiadamm seit Jahren, gehe dort häufig Schwimmen. So auch am Dienstag, als es dort am Abend zu einer Auseinandersetzung mit elf Verletzten und drei vorläufigen Festnahmen kam.
Bei 34 Grad am frühen Nachmittag war Andrang programmiert. Bei nur einer geöffneten Kasse war auch nach über zwei Stunden Warten bis zum ersehnten Einlass bei den wortwörtlich besonnensten Badegästen in spe die Geduldsampel auf Rot geschaltet.
Indes schmierte auch der Online-Shop für Tickets, die einen geschwinden, fixen Eintritt durch das Drehkreuz ermöglicht hätten, ab. Grund für den Absturz? Zunächst unklar. Am heutigen Mittwoch ist dort zu lesen: "Unsere Internetseite ist im Moment sehr stark besucht und wir verwenden eine virtuelle Warteschlange, um die Anzahl der Benutzer zu begrenzen." Das war ja nicht zu erwarten ...
Auch anderthalb Stunden vor Badeschluss ging die gut 160 Meter lange Schlange am Dienstagabend noch bis zum koreanischen Imbiss, wo auch ich zuvor stand und mittlerweile das Bad wieder verließ. Hier hätte entsprechend kommuniziert werden müssen, ob Badegäste überhaupt noch hereinkommen oder nur noch kurz ins feuchte Nass können.
Zugespitzt gesagt: so heiß die Sonne auch knallt, so voll das Bad auch sein mag, solange das auch Warten dauert; wer wegen des eignen Verhaltens des Bades verwiesen wird, aber dennoch wieder antanzt und aus welchen Gründen auch immer so ausfallend, gar brutal wird, dass Ermittlungen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs eingeleitet werden, muss Konsequenzen spüren.
Hausrecht bedeutet nicht, anderen aufs Dach steigen zu dürfen. Der Kern des Problems sitzt noch tiefer, denn das Sicherheitsgefühl vieler ist beeinträchtigt. Johannes Kleinsorg, Vorstandsvorsitzender der Berliner Bäder-Betriebe, zeigte sich am Mittwoch angesichts der Gewalt betroffen und sprach von "einem Ausmaß, wie wir es bisher nicht kannten".
Polizeireporterin berichtet auf Twitter über den Vorfall im Columbiabad
Wie eine Polizeireporterin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtet, habe es sich um einen "gezielten Angriff auf Sicherheitspersonal eine Stunde nach Hausverbot" gehandelt.
Demnach werde es eine "mobile Wache und verstärkte Streifen" sowie "Gefährderansprachen" geben, heißt es weiter in dem Tweet.
Auch Kleinsorg verkündet, dass noch mehr Sicherheitskräfte an den Freibädern eingesetzt werden sollen. Ob dies angesichts des Fachkräftemangels passiert, mag fraglich erscheinen.
Indes tobt im Netz ein heftiger Protest um die mit dem gefährlichen Begriff beschriebene "Party- und Eventszene". Dabei wird die Diskussion oft sehr verengt und polarisiert geführt, was zusätzlich Sprengstoff birgt.
Kurzum: Es beschleicht einem ein Gefühl stetig wachsender Fahrigkeit aufseiten des Berliner Senats, das im Grunde keiner weiteren Erklärung benötigt, aber immer wieder ausgesprochen werden muss.
Wer vor dem Hintergrund andauernder Prügeleien in Berliner Freibädern und der angekündigten Hitzewelle seiner Verantwortung nicht nachkommt, gewaltsame Ausschreitungen im Vorfeld zu verhindern und friedfertigen Badegästen einen reibungslosen Einlass zu garantieren, sollte das eigene (Nicht-)Handeln auf den Prüfstand stellen.
Ein unliebsamer Vorschlag, aber: Als im vergangenen Sommer der Einlass zu den Freibädern nur in online gebuchten Zeitfenster möglich und dadurch beschränkt war, lief es entspannter und eskalationsfrei ab. Setzt natürlich voraus, dass die Technik mitspielt.
Obwohl: Wenn Scheitern auf ganzer Ebene das inoffizielle Ziel transusiger Berliner Ämter und Institutionen ist, würden die fehlenden oder halbherzig nachträglich gesetzten Aktionsparameter wieder ins Bild passen. Ein bisschen Schwund ist ja immer ...
Titelfoto: Morris Pudwell