Kommentar: Warum wir das ganze Jahr Gay Pride weiter feiern sollten
Deutschland - Wer im vergangenen Monat nicht hinterm Mond gelebt hat, hat sicherlich etwas vom Pride Monat mitbekommen. Im Sommer wird auf der ganzen Welt besondere Aufmerksamkeit auf Themen gelenkt, die die LGBTQ-Community bewegen. Die großen Partys und Demonstrationen werden bald vorbei sein, aber TAG24 Redakteurin Savannah Pleil ist der Meinung, wir sollten trotzdem weiterfeiern.
"Pride" ist das englische Wort für "Stolz" und ist die Bezeichnung von Veranstaltungen, beispielsweise Demonstrationen, die auf Missstände und Errungenschaften der LGBTQ-Community aufmerksam machen sollen.
Auch wenn der offizielle Pride Monat im Juni stattfindet, wird den ganzen Sommer über in vielen Städten Deutschlands Pride gefeiert, am heutigen Samstag beispielsweise in Leipzig und Köln.
Die Demoumzüge sind oft bunt, mit lauter Musik und feiernden Menschen - schließlich gibt es auch viel, auf das die queere Community stolz sein sollte.
Aktivisten und Aktivistinnen kämpfen seit Jahrzehnten für ihre Rechte, die Kriminalisierung von Homosexualität wurde hierzulande 1994 endgültig aus dem Strafkatalog gestrichen und Akzeptanz und Rechte für LGBTQ-Menschen haben sich in Deutschland deutlich gebessert.
Doch der Weg bis hierher war kein leichter. Queere Menschen, die durch ihr öffentliches Auftreten mehr Bewusstsein für ihre Community geschaffen haben, haben sich oft dadurch in Gefahr begeben, mussten sich Schikanen und teilweise sogar physischer Gewalt aussetzen.
"Es gehört Mut dazu, offen queer zu sein"
Obwohl wir als Gesellschaft Fortschritte gemacht haben, laufen diese langsamer voran, als man es sich wünschen würde.
Denn ob man es wahrhaben möchte oder nicht, queere Menschen erfahren hierzulande trotzdem weiterhin Diskriminierung.
Inzwischen fürchten viele, dass mancherorts sogar eher Rückschläge in den Rechten und der Akzeptanz der LGBTQ-Community zu verbuchen sind.
Auch in Deutschland nimmt Gewalt, die sich gegen queere Menschen richtet, immer weiter zu.
Dabei sollte das, was queere Aktivistinnen und Aktivisten fordern, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein: Das Recht, ohne Angst und frei von Diskriminierung sie selbst sein zu können.
Es ist nie leicht, sich zu seinem authentischen Ich zu bekennen. Die meisten Menschen, egal wer sie sind, tun sich damit schwer. Aber wenn man von der Gesellschaft oder manchmal auch dem eigenen sozialen Umfeld gesagt bekommt, dass das Ich, die eigenen Gedanken, Gefühle und Empfindungen "falsch" oder "nicht normal" seien, gehört besonderer Mut dazu, sich offen zu sich selbst zu bekennen.
"Die eigene Stärke sollte man feiern"
Denn wen wir lieben, attraktiv finden und zu welchem Geschlecht wir gehören, das suchen wir uns nicht aus.
Es ist ein Teil eines jeden Menschen, der nicht veränderbar ist und solange alles einvernehmlich geschieht, sollte niemand dafür diskriminiert werden.
Wer es schafft, sich seiner selbst bewusst zu werden und dies öffentlich zu zeigen, trotz der Gefahren, denen man sich als queere Person dadurch aussetzt, der sollte auf sich selbst stolz sein und diesen Mut feiern dürfen.
Der offizielle Pride Monat ist jetzt vorbei. Aber nur weil die öffentliche Aufmerksamkeit sich weiterbewegt, verschwinden die Probleme, mit denen queere Menschen konfrontiert sind, nicht. Diskriminierung findet auch in den anderen elf Monaten des Jahres statt.
Es ist schön, dass Pride das gesellschaftliche Bewusstsein für diese Probleme steigert. Doch wenn wir den besorgniserregenden Trends der steigenden, gewaltvollen Übergriffe und der alltäglichen Diskriminierung entgegenwirken wollen, müssen wir alle dieses Bewusstsein beibehalten und dort, wo wir Unrecht sehen, eingreifen – auch ohne die großen Demoumzüge und farbenfrohe Werbung als Erinnerung.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa