Kommentar: Eine Spitzelei mit Folgen
Leipzig - Die Gerichts-Spitzelei hochrangiger Leipziger Kriminalbeamter wird zum Bumerang für die sächsische Polizei. Inzwischen haben neben der Sächsischen Rechtsanwaltskammer auch die Bundesrechtsanwaltskammer und der Republikanische Anwaltsverein (RAV) öffentlich die mutmaßlichen Einschüchterungsversuche gegenüber einem Strafverteidiger scharf kritisiert. Das Ganze wächst sich zum Schlagabtausch zwischen sächsischer Exekutive und Judikative aus.

Zeit also für eine nüchterne Betrachtung: Richtig ist, dass in einem öffentlichen Strafverfahren jedermann als Zuschauer an der Hauptverhandlung teilnehmen kann, es sei denn, er ist Zeuge. Das gilt selbstverständlich auch für Polizisten.
Seit Jahren ist es gelebte Praxis an Gerichten, dass Beamte zu Ausbildungszwecken der Befragung ihrer Kollegen im Zeugenstand beiwohnen.
Völlig unnormal ist hingegen, dass Führungspersonal der Polizei den Gerichten schriftlich eine Prozessbeobachtung zur Dokumentation des Verteidigerverhaltens ankündigt.
Und dies mit - bis heute nicht belegtem - Fehlverhalten begründet.
Traut die Polizei der Justiz nicht mehr?

Weil es eine solche schriftliche Ankündigung nicht braucht für die Teilnahme als Zuschauer an einem öffentlichen Prozess, stellt sich also die Frage: Was sollte damit bezweckt werden?
Da das Schreiben der Polizei zur Verfahrensakte genommen werden muss, mithin der betroffene Anwalt vor der Zeugenbefragung von seinen "Aufpassern" im Zuschauerraum erfährt, kann das schon eine einschüchternde Wirkung haben.
Sollte das auch der Zweck gewesen sein, dann lässt die Stasi grüßen. Im Übrigen ist das von der Polizeiführung eisern verteidigte Vorgehen auch ein Affront gegen Richter und Staatsanwälte.
Denn denen scheint Sachsens Exekutive wohl nicht mehr zuzutrauen, strafbares Verhalten von Prozessbeteiligten zu erkennen und zu dokumentieren.
Titelfoto: Bildmontage: Ralf Seegers, Eric Münch