Kommentar: Vier-Tage-Woche für uns alle!

In seinem Kommentar nimmt TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) die Einführung der Vier-Tage-Woche ohne Gehaltseinbußen bei den Lokführern der Deutschen Bahn zum Anlass, um die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für alle zu fordern.

Die Vier-Tage-Woche ohne Gehaltseinbußen kommt, zumindest für die Lokführer der Deutschen Bahn. Deren Gewerkschaft (GDL) hat erfolgreich gestreikt und verhandelt - und nun? Um es klar zu sagen: Die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich muss für uns alle kommen, es ist an der Zeit!

"Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich", diese Forderung wird von Aktivisten der Arbeiterbewegung schon lange erhoben.
"Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich", diese Forderung wird von Aktivisten der Arbeiterbewegung schon lange erhoben.  © Boris Roessler/dpa

Dies hat offenbar auch die zuletzt sehr gebeutelte Partei Die Linke erkannt, denn sie fordert seit dem gestrigen Montag die schrittweise Einführung einer viertägigen Arbeitswoche in Deutschland. Ich bin kein Mitglied der Linken, doch in diesem Punkt stimme ich der Partei ausdrücklich zu.

Die üblichen Bedenken der Arbeitgeber bei diesem Thema sind substanzlos. Denn eine allgemeine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt führt eben nicht zu einem Produktivitätsverlust. Darauf verweist etwa der Arbeitsforscher Philipp Frey in einem Interview aus dem vergangenen Jahr.

Er sagt darin wörtlich: "Wir beobachten, dass die Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche einführen, in der Regel ihren Umsatz halten beziehungsweise im Schnitt sogar leicht steigern können. Und das bedeutet, dass die Produktivität massiv gestiegen sein muss."

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Gründe dafür sind demnach die deutlich höhere Motivation der Beschäftigten und die merklich reduzierten Krankheitstage.

Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ist für kürzere Arbeitswoche ohne Gehaltseinbußen

Claus Weselsky (65), Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), verkündete am heutigen Dienstag das Ergebnis seiner Verhandlungen mit der Deutschen Bahn.
Claus Weselsky (65), Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), verkündete am heutigen Dienstag das Ergebnis seiner Verhandlungen mit der Deutschen Bahn.  © Carsten Koall/dpa

Auch ist eine allgemeine Reduzierung der Wochenarbeitszeit keineswegs unüblich in Deutschland. Es mag für viele überraschend sein, aber die aktuell übliche Fünf-Tage-Woche zu 40 Stunden galt nicht immer in der Bundesrepublik. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war die Sechs-Tage-Woche mit 48 Arbeitsstunden die Norm!

Erst nach harten gewerkschaftlichen Kämpfen konnte damals die Fünf-Tage-Woche Schritt für Schritt durchgesetzt werden.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer hat nun gezeigt, dass auch heutzutage Arbeitskämpfe notwendig sind, um eine weitere Reduzierung der Wochenarbeitszeit ohne Gehaltseinbußen zu erzwingen - falls die Arbeitgeber nicht begreifen, dass sie sogar etwas zu gewinnen haben, wenn sie sich zur schrittweisen Einführung der Vier-Tage-Woche bereit erklären.

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Auch beim Kampf um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnte eine 35-Stunden-Woche sicher hilfreich sein.

Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland ist in jedem Fall ganz klar für eine kürzere Arbeitswoche für alle ohne Gehaltseinbußen, wie eine Umfrage aus dem vergangenen Jahr zeigt.

Der Blick aufs große Ganze: Ein besseres Deutschland ist möglich

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main - er bezeichnet sich selbst als überzeugten, aber parteilosen Linken.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main - er bezeichnet sich selbst als überzeugten, aber parteilosen Linken.  © Florian Gürtler

Der obige Kommentar war gewissermaßen ein Blick ins Detail, es folgt ein kurzer Blick auf das große Ganze, den ich so oder so ähnlich unter jeden meiner politischen Kommentare stelle.

Ein besseres Deutschland ist möglich, mit einem besseren Leben für uns alle - mit höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten, mit niedrigeren Mieten und ausreichend Wohnungen, mit auskömmlichen Renten, einem gut finanzierten Gesundheitssystem, einem wohlwollenden Sozialstaat und einem bezahlbaren und landesweit ausgebauten ÖPNV in einer Gesellschaft, die freiheitlich und sozial bedarfsgerecht sowie ökologisch und klimatisch nachhaltig ist.

Was wir dafür brauchen, ist sozialer Fortschritt, eine linke Republik und die schrittweise Überwindung des Kapitalismus in unserem Land.

Titelfoto: Montage: Boris Roessler/dpa, Florian Gürtler

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