Kommentar: Jetzt kann Sachsens Regierungsbildung zum Überraschungsei werden
Leipzig - Der für die Freien Wähler als Einzelkämpfer ins Parlament gerutschte, parteilose Matthias Berger wirft bei der Ministerpräsidenten-Wahl seinen Hut in den Ring. Damit kommt endlich Würze ins Spiel bei Sachsens Regierungsbildung, meint TAG24-Redakteur Alexander Bischoff in seinem Kommentar.
Bis zum 18. Dezember, dem Tag der Entscheidung, braucht Platzhirsch Michael Kretschmer garantiert keinen Saunabesuch mehr - denn er dürfte auch so ins Schwitzen kommen.
Mag der Angriff des langjährigen Grimmaer Stadtchefs Berger für manche auch bizarr wirken - aussichtslos ist sein Vorhaben keinesfalls.
Das Prozedere der geheimen Wahl kann für faustdicke Überraschungen sorgen. Erinnert sei an Thüringen 2020, wo plötzlich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.
Das löste damals eine Regierungskrise aus und Kemmerich war drei Tage später wieder Geschichte.
Pragmatismus statt Brandmauern
In Sachsen liegen die Dinge anders. Würde Berger mit den Stimmen der AfD, vielleicht auch des BSW und einiger CDU-Abweichler im zweiten oder dritten Wahlgang die Mehrheit bekommen, wären 34 Jahre CDU-Herrschaft im Freistaat beendet.
Denn der in seiner Heimat als Flutheld verehrte Polit-Pragmatiker wird sich weder von medialer Empörung noch von einem Anruf aus dem Kanzleramt von seinem Projekt einer Expertenregierung für Sachsen abbringen lassen.
Schon vor der Landtagswahl hatte Berger klargestellt, dass es für ihn keine Brandmauern gibt. "Eine gute Idee ist eine gute Idee, egal von wem sie kommt", ist sein Credo.
Klingt komisch, ist aber so: In der Hand haben es nun vor allem die AfD-Abgeordneten und jene vom Linksschwenk ihrer Partei enttäuschte Konservative in der CDU-Fraktion, ob es ein Kabinett Micha III oder eine parteiübergreifende Expertenregierung geben wird.
Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch, Sebastian Kahnert/dpa