Kommentar: Die Regierung macht Politik gegen die Bürger, doch das muss nicht sein

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) befasst sich in seinem Kommentar mit der Haushaltsplanung der Ampel-Bundesregierung für 2024 sowie mit der Schuldenbremse im Grundgesetz.

Inzwischen ist bekannt: Die Haushaltsplanung der Bundesregierung für das Jahr 2024 wird bei vielen Menschen zu finanziellen Mehrbelastungen führen. Es ist richtig, sich darüber aufzuregen, es muss aber auch eine Alternative aufgezeigt werden: Was wir brauchen, ist ein fundamentaler Politik-Wechsel!

Wirtschaftsminister Robert Habeck (54, Grüne, l.), Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD, M.) und Finanzminister Christian Lindner (44, FDP) einigten sich Ende 2023 auf einen Haushaltsentwurf für 2024.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (54, Grüne, l.), Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD, M.) und Finanzminister Christian Lindner (44, FDP) einigten sich Ende 2023 auf einen Haushaltsentwurf für 2024.  © Michael Kappeler/dpa

Die an der Ampel-Koalition beteiligte Klientel-Partei FDP hat erfolgreich verhindert, dass die Kosten des Spar-Haushalts durch eine Vermögensabgabe oder andere Instrumente bei den Reichen und Hyperreichen eingetrieben wurden.

Doch es hätte noch eine andere Lösung gegeben, anstatt Politik gegen viele Bürgerinnen und Bürger zu machen und die sprichwörtlich kleinen Leute zur Kasse zu bitten.

Schaut man sich die Statements von Vertretern unserer politischen Eliten an - egal, ob nun von CDU, CSU, SPD, Grünen oder AfD - so fällt auf, dass diese oft das Hohelied der in der Verfassung festgeschrieben Schuldenbremse singen, um zu begründen, weshalb kein Geld für Sozialprogramme, den Klimaschutz oder die Folgen von Naturkatastrophen da sei. Stattdessen wird gegen Arbeitslose gehetzt, oder alternativ auch gegen Migranten.

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Doch genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Die Schuldenbremse ist kein gottgegebenes, unumstößliches Gesetz. Sie ist ihrer jetzigen Form erst seit 2011 verbindlich - und sie kann umgangen werden, wenn der politische Wille dazu da ist!

Das durch Schulden finanzierte 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr ist dafür ebenso ein Beispiel wie die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie oder zur Reaktion auf die Gaskrise und die Preissprünge infolge des Ukraine-Kriegs.

Die Schuldenbremse muss weg!

Robert Habeck (54, Grüne, l.), Christian Lindner (44, FDP, M.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD) sind die führenden Köpfe der Ampel-Bundesregierung: Eine Umfrage des ZDF-Politbarometers im Dezember ergab keine Mehrheit mehr für das Bündnis.
Robert Habeck (54, Grüne, l.), Christian Lindner (44, FDP, M.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD) sind die führenden Köpfe der Ampel-Bundesregierung: Eine Umfrage des ZDF-Politbarometers im Dezember ergab keine Mehrheit mehr für das Bündnis.  © Michael Kappeler/dpa

Es wäre also problemlos möglich gewesen, das Geld für die zu stopfenden Haushaltslöcher im Jahr 2024 über Schulden zu mobilisieren, oder durch eine Kombination von Schulden und Vermögensabgabe für diejenigen, die ohnehin viel zu viel Vermögen haben.

Dies dürfte vielen Vertretern unserer politischen Elite auch bewusst sein, sonst würden sie nicht immer wieder die Schuldenbremse aussetzen oder umgehen, wenn es ihnen gerade passt.

Doch offensichtlich ist der politische Wille nicht vorhanden, diese Möglichkeit auch zu nutzen, um das Leben der kleinen Leute spürbar zu verbessern oder um den Klimaschutz und die Anpassungen an den Klimawandel mit Macht voranzutreiben.

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Es wird also kein Weg daran vorbeiführen: Nur durch politischen Druck werden wir die uns regierenden Politiker dazu bewegen können, ihren politischen Willen zu ändern.

Die Schuldenbremse muss weg! Und so lange sie nicht weg ist, muss sie umgangen oder außer Kraft gesetzt werden!

Ökonom bestreitet Zusammenhang zwischen Staatsschulden und Inflation

Der Ökonom Maurice Höfgen (28) erklärt in seinem 2023 erschienenen Buch "Teuer!" zahlreiche Hintergründe zum Thema Inflation. Ebenso dekonstruiert er diverse Mythen rund um dieses Thema.
Der Ökonom Maurice Höfgen (28) erklärt in seinem 2023 erschienenen Buch "Teuer!" zahlreiche Hintergründe zum Thema Inflation. Ebenso dekonstruiert er diverse Mythen rund um dieses Thema.  © Screenshot/Instagram/mauricehoefgen

Zuletzt muss noch ein Thema angesprochen werden, das Befürworter der Schuldenbremse oft im Mund führen: Angeblich sei diese notwendig, um Inflation zu verhindern.

Als Beispiel werden dann gerne die Preisschübe bei Gas und Öl und die damit einhergehenden Preissteigerungen bei Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs der jüngeren Vergangenheit genannt.

Der Ökonom Maurice Höfgen (28) weist in seinem im letzten Jahr erschienenen Buch "Teuer! Die Wahrheit über Inflation, ihre Profiteure und das Versagen der Politik" jedoch nach, dass die auf die ökonomische Lehre des sogenannten "Monetarismus" zurückgehende Vorstellung eines Zusammenhangs zwischen Staatsschulden und Inflation schlicht falsch ist.

"Die hohen Inflationsraten in Deutschland kommen vom Angebotsschock, der die Energiepreise explodieren lässt, nicht von expansiver Geldpolitik, nicht vom Schuldenmachen, nicht vom 'Gelddrucken'", schreibt der Sachbuchautor.

Weiter heißt es: "Dass es erst eine Pandemie und einen Krieg braucht, damit es nach einem quasi inflationslosen Jahrzehnt den Anschein macht, Monetaristen hätten mit ihrem Geldmengenwahn recht, sagt eigentlich schon alles."

Der Blick aufs große Ganze: Ein besseres Deutschland ist möglich

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main - er bezeichnet sich selbst als überzeugten, aber parteilosen Linken.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main - er bezeichnet sich selbst als überzeugten, aber parteilosen Linken.  © Florian Gürtler

Der obige Kommentar war gewissermaßen ein Blick ins Detail, es folgt ein kurzer Blick auf das große Ganze, den ich so oder so ähnlich unter jeden meiner politischen Kommentare stelle.

Ein besseres Deutschland ist möglich, mit einem besseren Leben für uns alle - mit höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten, mit niedrigeren Mieten und ausreichend Wohnungen, mit auskömmlichen Renten, einem gut finanzierten Gesundheitssystem, einem wohlwollenden Sozialstaat und einem bezahlbaren und landesweit ausgebauten ÖPNV in einer Gesellschaft, die freiheitlich und sozial bedarfsgerecht sowie ökologisch und klimatisch nachhaltig ist.

Was wir dafür brauchen, ist sozialer Fortschritt, eine linke Republik und final die Überwindung des Kapitalismus in unserem Land.

Titelfoto: Montage: Michael Kappeler/dpa, Florian Gürtler

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