Haft-Bedingungen: Ein Kommentar an die "Letzte Generation", die sich selbst am Asphalt festklebt

Deutschland - Kleben und kleben lassen: Bundesweit, von Bayern bis Berlin und wieder zurück, haften sich Klimaaktivisten an die Asphaltwege der Republik und blockieren so die Straßen. Ihr Ziel: Ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung zu erzwingen.

Ende Januar - wie hier in Stuttgart - standen die Aktivisten noch auf den Straßen. Inzwischen kleben sie sich fest und sorgen für Wut und Chaos.
Ende Januar - wie hier in Stuttgart - standen die Aktivisten noch auf den Straßen. Inzwischen kleben sie sich fest und sorgen für Wut und Chaos.  © Bernd Weißbrod/dpa

Nun stellt sich natürlich die Frage, was die alleinerziehende Mutter, die nun zuerst ihr Kind zu spät in den Kindergarten bringen wird und danach ihrem Chef Rede und Antwort stehen muss, warum sie zu spät kommt, dafür kann, dass - und das steht außer Frage - unnötig viel Nahrungsmittel im Müll landen.

Als alter, weißer Boomer-Dino-CIS-irgendwas-Mann (sucht euch aus, womit ihr meine Meinung als nichtig labeln wollt) liest man die Polizeiberichte und fragt sich, ob diese Aktivisten ihren Superkleber zuerst geschnüffelt haben, ehe sie auf diese bahnbrechend sinnvolle Idee kamen.

Die "Letzte Generation" sieht es also als Lösung, Staus zu verursachen, um das Klima zu retten. Müssen wohl alles E-Autos gewesen sein, denn wenn nicht: Finde den Fehler.

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In der aktuellen "Stimmenfang"-Podcast-Folge ist ein Reporter vom "Spiegel" vor Ort und unterhält sich mit den Aktivisten, während sie den Verkehr lahmlegen.

"Persönlich tut mir das unfassbar leid, den Menschen gegenüber, die hier gestört [werden]. Aber wir richten uns nicht an sie, nicht an den Einzelnen, sondern an die Bundesregierung", so eine Sprecherin der Protestgruppe.

Kennt man ja. Wenn mir etwas "unfassbar leid" tut, mache ich auch immer weiter, statt mein Handeln zu hinterfragen.

OP-Termin? Behinderte Kinder? Hallo, hier gehts vielleicht um uns!?

Fluch-Hafen: "Die Letzte Generation" hat sich am Mittwochvormittag auf einer Zufahrt zum Frachtbereich vom Münchner Airport geklebt.
Fluch-Hafen: "Die Letzte Generation" hat sich am Mittwochvormittag auf einer Zufahrt zum Frachtbereich vom Münchner Airport geklebt.  © Matthias Balk/dpa

In der Episode kommen auch wütende Autofahrer zu Wort. "Lasst mich zehn Minuten durch, ich muss sie ins Krankenhaus bringen", versucht einer der Betroffenen auf die Gruppe einzureden, während seine Begleitung wütend schreit: "Ich muss zu meiner Operation."

"Ich hab behinderte Kinder im Auto", wütet ein anderer. "Das kann nicht wahr sein."

Die Sprecherin der Gruppe meint auf die Reporter-Frage, ob man denn wenigstens für diese Leute nun Platz machen würde: "Das entscheide nicht ich, das entscheiden die Menschen, die da sitzen. Und im Moment sehe ich nicht, dass sie aufstehen werden."

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Hm. So schafft man natürlich Akzeptanz und gewinnt die breite Masse für sein durchaus erstrebenswertes Ziel. Es tut ihr natürlich immer noch "unfassbar leid für die Menschen". Ach ja, stimmt. Es ging ja um die Rettung von Menschen. Ich vergaß.

Zwar verweist sie auf einen Notfallweg, den sie freigelassen hätten, besonders effektiv scheint der aber nicht zu sein.

Blöd irgendwie. Dann wäre nämlich der Protest völlig sinnlos. Wenn hier einfach so jeder, der gar keine politische Entscheidungsgewalt hat, die Frechheit besitzt, ins Krankenhaus oder in die Arbeit fahren zu wollen. Immer diese selbstgemachten, moralischen Zwickmühlen, was?

Der Sprecherin, die nichts zu melden hat, tut es immerhin leid.

Der sitzende Aufstand: Am Dienstagmorgen klebten sich Klima-Aktivisten am Frankenschnellweg fest.
Der sitzende Aufstand: Am Dienstagmorgen klebten sich Klima-Aktivisten am Frankenschnellweg fest.  © NEWS5 / Grundmann

Mit der Gesundheit und dem Wohl Schutzbedürftiger zu spielen, um damit politischen Entscheidungsträgern den Angstschweiß auf die Stirn zu jagen. Das erinnert mich an eine Textzeile der "Ärzte": "Ja, ihr prangert an und ihr singt von Problemen - ich bin sicher, dass sich alle schlechten Menschen jetzt schämen."

Ich würde ja gerne mal den Gesichtsausdruck sehen, wenn einer der Beamten sagt: "Du, wir lassen die jetzt einfach kleben, leiten den Verkehr eine Woche um und dann schauen wir mal, wie es hier danach aussieht."

In zahlreichen Städten haben sich in den letzten Tagen Protestierende an wichtigen Verkehrspunkten festgeklebt, um die Politik zum Handeln zu bringen. Und ich bin durchaus auf der Seite der Aktivisten der "Letzten Generation". Aber der Zweck heiligt nicht immer die Mittel.

Nicht, wenn durch das Mittel Mitmenschen leiden müssen und mögliche unschuldige Opfer billigend in Kauf genommen werden. Kollateralschaden war schon immer ein Verbrechen. Und niemals sollte dann ein Gaspedal zum Mittel der Notwehr werden. Am Mittwochvormittag ein Zeichen der Besserung: Die Aktivisten klebten sich am Frachtbereich des Münchner Flughafens fest. Besser.

Die Art und Weise, wie der Protest bisher umgesetzt wurde, ist die größte Schwäche, den diese Aktion hat. Aber: eine Schwäche einzugestehen wäre ein Zeichen von Stärke.

(Anstehende) Hungersnöte bekämpft man nicht, indem man den Kühllaster im Stau stehen lässt. Versucht, die Menschen auf eure Seite zu ziehen. Und nicht, sie zum Spielball zu machen - denn dann werden sie sich gegen euch stellen. Für das große und durchaus wichtige Ziel täte mir das dann "unfassbar leid".

Titelfoto: Montage: NEWS5/Grundmann, TAG24

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