Hartz IV zu Bürgergeld: Ein Schlag ins Gesicht aller Arbeiter und Angestellten
In seinem Kommentar befasst sich TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) mit dem Hartz-IV-Bürgergeld-Kompromiss und erklärt, weshalb diese Reform für Arbeitslose und Arbeitnehmer zugleich schlecht ist.
Bürgergeld anstelle von Hartz IV: Eine ganz große Koalition von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP hat sich geeinigt - das Resultat ist ein Reförmchen, das nicht nur den Betroffenen des Hartz-IV-Regimes, sondern allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Unheil beschert.
Um einen vermeintlich positiven Aspekt an den Anfang zu stellen: Ja, die Bezieher von Hartz IV/Bürgergeld werden aller Voraussicht nach ab dem 1. Januar etwas mehr Geld erhalten, eine alleinstehende Person bekommt dann insgesamt 502 Euro plus die Warmmiete, eine Erhöhung um rund 50 Euro.
Doch schon diese Zahlen zeigen, dass auch das sogenannte Bürgergeld nichts anderes ist als Armut per Gesetz. Denn die Erhöhung ist durch die massiven Teuerungen bei Energie und Lebensmitteln der jüngeren Vergangenheit bereits vorab aufgefressen worden.
Die Hartz-IV- beziehungsweise Bürgergeld-Betroffenen werden also auch weiterhin in einer äußerst prekären Situation ihr Leben fristen müssen. Sollten weitere Teuerungswellen auf uns zukommen - was durchaus passieren kann -, wird sich die Situation dieser Menschen weiter verschlechtern.
Doch nicht nur bei den monatlichen Leistungen ist das neue Bürgergeld eben keine Überwindung von Hartz IV, auch wenn die Scholz-SPD dieses Märchen sicher immer wieder und wieder erzählen wird.
Auch bei einem anderen gravierenden Punkt zeigt sich, dass das Hartz-IV-Regime unverändert weitergeht und nur ein neues Etikett erhält.
Hartz IV und Bürgergeld sind Angriffe auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Die berüchtigten Sanktionen von Hartz IV gehen auch beim Bürgergeld unverändert weiter, denn die von der SPD ursprünglich gewollte sanktionsfreie "Vertrauenszeit" von sechs Monaten am Anfang des Bezugs wurde auf Druck der Unionsparteien ersatzlos gestrichen.
Auch Bürgergeld-Empfänger müssen also von Beginn des Leistungsbezugs an damit rechnen, dass ihnen die eigentlich als Existenzminimum geltenden monatlichen Zahlungen zusammengestrichen werden, wenn sie sich nicht widerstandslos in jeden x-beliebigen Niedriglohn-Job pressen lassen.
Das Zusammenspiel von Armut und Sanktionen macht somit auch das neue Bürgergeld zu einem Angst-Regime für die Betroffenen, genau so wie es auch bei Hartz IV der Fall ist.
Dabei zielt diese entwürdigende Konstruktion nur vordergründig alleine auf die Leistungsempfänger. Tatsächlich ist Hartz IV/Bürgergeld ein Angriff auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Denn die Angst vor dem Abrutschen in den Sanktions-Terror der Jobcenter wirkt bis weit in die Mittelschicht hinein: Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld sind Disziplinierungsmaßnahmen, mit denen erreicht werden soll, dass Arbeiter und Angestellte aufgrund ihrer Angst vor der Arbeitslosigkeit keine hohen Lohnforderungen an ihre Arbeitgeber richten.
Arbeitslose und Arbeitnehmer haben ein gemeinsames Interesse
Arbeitnehmer und Arbeitslose sollten sich daher nicht gegeneinander aufhetzen lassen. Sie haben ein gemeinsames Interesse daran, dass Arbeitslosigkeit nicht zum Absturz in bittere Armut und Sanktions-Angst führt.
CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP haben mit ihrem Kompromiss allerdings gezeigt, dass sie nicht die Parteien der Arbeiter und Angestellten sind - ebenso wenig wie sie die Parteien der Arbeitslosen sind.
Titelfoto: Montage: Karl-Josef Hildenbrand/dpa, Florian Gürtler