Kommentar: Die Distanzierung der Anti-Gender-Initiative von der AfD ist heuchlerisch

In seinem Kommentar schreibt TAG24-Reporter Kevin Goonewardena, wieso er die Distanzierung der Hamburger Volksinitiative gegen Gendersprache von der AfD für heuchlerisch hält.

Hamburg - Die Hamburger Volksinitiative gegen Gendersprache hat die Solidarisierung der AfD zurückgewiesen. Die rechtspopulistische Partei hatte der Initiative ihre vorbehaltlose Unterstützung ausgesprochen. Doch was gut klingt, ist heuchlerisch: Mit der AfD haben die Anti-Genderaktivisten ansonsten nämlich kein Problem. Im Gegenteil.

Sabine Mertens (76) Initiatorin der Volksinitiative gegen die Gendersprache und Vorstandsmitglied im Verein Deutscher Sprache. Ihre Äußerungen stünden auch AfD-Politikern gut zu Gesicht - kein Wunder, dass sich die rechtspopulistische Partei mit der Volksinitiative solidarisiert hat.
Sabine Mertens (76) Initiatorin der Volksinitiative gegen die Gendersprache und Vorstandsmitglied im Verein Deutscher Sprache. Ihre Äußerungen stünden auch AfD-Politikern gut zu Gesicht - kein Wunder, dass sich die rechtspopulistische Partei mit der Volksinitiative solidarisiert hat.  © Christian Charisius/dpa

Die "Volksinitiative gegen Gendersprache in Verwaltung und Bildung" sorgt seit Anfang des Jahres von Hamburg aus für bundesweite Schlagzeilen.

Sie will verbieten, was aktuell erlaubt ist: die gendersensible Sprache in der Kommunikation von Behörden, Ämtern, in Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Erlaubt, allerdings nicht verpflichtend. In Hamburg können Landes-Institutionen selbst entscheiden, wie sie ihre Kommunikation gestalten.

Einen Zwang gibt es nicht - den gebe es nur bei einer erfolgreichen Volksinitiative.

Anti-Gender-Initiative äußert sich homophob - CDU distanziert sich

Die Initiative selbst hatte zuletzt nicht nur positive Schlagzeilen geschrieben: Nach homophoben Äußerungen in der vergangenen Woche, distanzierte sich die CDU von der Initiative, die sich zuvor als erste und einzige Partei auf die Seite der Sprach-Aktivisten schlug.

Die Hamburger AfD warf CDU-Fraktionschef Dennis Thering (38) daraufhin vor "devot" gegenüber den Grünen zu sein, die AfD solidarisierte sich flugs mit der Initiative. Das wiederum gefällt der Anti-Gender-Initiative um deren Gründerin und Vorsitzende Sabine Mertens nicht. Am Wochenende hieß es dazu in einem Statement der Ini:

"Die Solidarisierung der AfD mit unserer Volksinitiative weisen wir hiermit ausdrücklich zurück." Doch das klingt besser, als es ist.

Anti-Gender-Aktivisten: Lobbyarbeit bei der AfD

Dr. Hans Kaufmann und Sabine Mertens bei der Anmeldung der Volksinitiative im Hamburger Rathaus.
Dr. Hans Kaufmann und Sabine Mertens bei der Anmeldung der Volksinitiative im Hamburger Rathaus.  © Kevin Goonewardena / TAG24 NEWS

Denn mit der AfD hat die Initiative respektive der hinter der Initiative stehende "Verein Deutscher Sprache" e. V. (VdS) mit Sitz in Dortmund ansonsten wenige Probleme. "AfD für ein gutes Deutsch" heißt die Arbeitsgruppe innerhalb des VdS, die im Sinne des Vereins "Einfluss auf politische Parteien aus[übt]." Nicht nur auf die AfD, die Partei-Arbeitsgruppen im Vds existieren auch für die CDU, SPD, FDP, Bündnis90 / Die Grünen und Die Linke.

Leiter der AfD-Arbeitsgemeinschaft ist übrigens Martin Louis Schmidt (57), der seit 2016 für die AfD im Landtag von Rheinland-Pfalz sitzt und in den 1990er-Jahren hohe Positionen, unter anderem die des stellvertretenden Chefredakteurs, bei der neurechten Zeitung "Junge Freiheit" innehatte.

"Eine Einflussnahme in umgekehrter Richtung gibt es nicht", also aus Richtung der Partei auf den Verein und dessen Arbeit, heißt es auf der Website des VdS.

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Wie genau der Verein dafür Sorge trägt, dass, unabhängig von der Partei, keine parteipolitische Einflussnahme stattfindet, wollte TAG24 Hamburg von Sabine Mertens schriftlich wissen. Bisher blieb dazu eine Antwort aus.

Die Anti-Gender-Aktivisten nach erfolgreicher Anmeldung der Initiative in Hamburg.
Die Anti-Gender-Aktivisten nach erfolgreicher Anmeldung der Initiative in Hamburg.  © Kevin Goonewardena / TAG24 NEWS

Ablehnung von AfD-Solidarisierung und Lobbyarbeit offenbar kein Problem

Überhaupt stellt sich die Frage, wie eine Ablehnung der Solidarisierung vonseiten der AfD, die bewusst oder unbewusst den Eindruck erwecken soll, man wolle mit der Partei nichts zu tun haben, und gleichzeitige erwünschte, gezielte, offizielle und transparent-gemachte Lobbyarbeit bei der Partei, insbesondere auch unter Einbindung von Parteimitgliedern, mit der Solidarisierungsabsage an die Partei, zusammen passen.

Von Sabine Mertens gab es auch darauf bisher keine Auskunft gegenüber TAG24 Hamburg.

Anti-Gender-Aktivisten und AfD: Sprache des anti-feministischen Kampfes

Dass man sich für ein gemeinsames Ziel gemein macht, ist erst einmal nichts Verwerfliches. Es heißt auch nicht, dass man mehr als eben nötige Schnittmengen mit dem Gegenüber aufweist.

Die auffällig ähnliche Wortwahl von AfD-Verantwortlichen und Sabine Mertens, Stichwort "feministische Propaganda", "Mainstream Propaganda" etc. und die beidseitig vermuteten Gründe für die Einführung der Gendersprache, lassen kaum einen anderen Schluss als den einer auch politisch geistigen Nähe zu.

Die Äußerungen von Mertens und ihren Mitstreitern decken sich erschreckend mit denen, in denen die Neue Rechte in ihren anti-feministischen Kampf zieht. Ein Zufall dürfte das kaum sein.

Titelfoto: Kevin Goonewardena / TAG24 NEWS

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