"Letzte Generation"-Klimaaktivist: "Ich denke ständig darüber nach aufzuhören"
Leipzig - Die "Letzte Generation" polarisiert. Und das ist von den Klimaaktivisten auch genau so gewollt. Aus der Bevölkerung erhalten sie allerdings - vor allem für ihre Klebe-Proteste auf viel befahrenen Straßen - wenig Zuspruch. Die meist jungen Menschen leben gleichzeitig mit der Angst, jederzeit von Autofahrern körperlich angegriffen oder inhaftiert zu werden.
Sie wollen das Ende der fossilen Brennstoffe, ein 9-Euro-Ticket für Bahn und Bus, ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen. Dafür krempeln die Aktivisten auch gern ihr komplettes Leben um. Einer von ihnen ist Jakob Beyer (28) aus Leipzig, der seine Zimmermanns-Lehre für den Klimaprotest aufgegeben hat.
Bei den Klebe-Protesten auf Straßen kommt es immer häufiger zu Beschimpfungen und stellenweise auch Handgreiflichkeiten. "Das ist eine reale Gefahr, dass wir dabei auch Schaden nehmen können", sagt Beyer in der ZDF-Doku "Radikal, gehasst, verzweifelt - Die letzte Generation". Aber: "Ich hab damit meinen Frieden gemacht, solche Konsequenzen - auch rechtliche - auf mich zu nehmen. Vielleicht gehen wir ins Gefängnis."
Man wolle nicht zwangsweise Menschen in ihrem Alltag stören, sodass diese nicht zur Arbeit, zu wichtigen Arztterminen oder zu ihrer Familie kommen.
"Aber der Protest der vergangenen Jahre hat nicht annähernd ausreichende Maßnahmen gebracht. Es ist unangenehm, hier zu sein und es kostet mich jedes Mal krasse Überwindung, mein Herz ist grad am rasen", so der 28-Jährige bei einer Aktion am Münchner Stachus.
"Letzte Generation"-Aktivist Jakob Beyer: "Werde jede Gelegenheit nutzen, um mich wieder hinzusetzen"
Kurz darauf fordert ihn ein Polizist auf, zur Seite zu gehen, "sonst wird die Versammlung aufgelöst". Auch jetzt kämpft Jakob weiter. "Ich bleibe hier und werde jede Gelegenheit, die sich mir bietet, nutzen, um mich wieder hier hinzusetzen." Der Beamte wolle noch zwei Minuten warten, "ansonsten begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit wegen Nötigung des Straßenverkehrs".
Einer der wartenden Autofahrer ist aufgebracht: "Sie benutzen mich und die anderen, um Aufmerksamkeit zu kriegen. Ich glaube nicht, dass sie dazu das Recht haben." Mit Speiseöl und Putzmittel werden die sieben Protestanten von der Straße gelöst.
Direkt im Anschluss geht es für Jakob 30 Tage in die JVA Stadelheim. Während er einsitzt, wird im November 2022 seine Leipziger Wohnung durchsucht. Anlass war eine weitere Aktion, bei der er sich im Sommer 2022 mit einer Kollegin in Leipzig an ein wertvolles Museumsgemälde geklebt hatte.
Die Durchsuchungsmaßnahmen hatte Beyer in seiner Zelle live im Fernsehen gesehen. "Die Polizei war da mit Bild-TV, haben ein Riesending draus gemacht wegen 4000 Euro Sachschaden."
Gesucht wurden Datenträger und Informationen, um den Verdacht einer kriminellen Vereinigung zu erhärten.
Letzte Generation: "Ich stell mir immer wieder die Frage, ob ich das, was ich gerade mache, weiterhin machen sollte"
Jakob Beyer fühle sich verfolgt, sagt er. "Ich soll mich jeden Tag bei der Polizei melden, weil die wissen wollen, wo ich bin."
Immer mehr Leute unterstützen laut eigenen Angaben zwar die Klimaaktivisten und schließen sich ihnen an. "Wenn das so weitergeht, haben wir eine große Chance, weiterzumachen."
Von der Gesellschaft und vom Staat bekomme er jedoch gespiegelt, dass das, was er macht, Straftaten sind, er böse sei und bestraft gehört.
"Ich denke ständig darüber nach, aufzuhören und stell mir immer wieder die Frage, ob ich das, was ich gerade mache, weiterhin machen sollte, ob es irgendeine Aussicht auf Erfolg hat. Ob's das wert ist, dafür ins Gefängnis zu gehen, die Wohnung durchsucht zu bekommen und alles andere dafür aufzugeben."
Die ganze Doku strahlt das ZDF am Dienstag (20. Juni) ab 22.15 Uhr aus. Vorab seht Ihr sie ab sofort in der Mediathek.
Titelfoto: Bildmontage: ZDF/Broka Herrmann/Marc Nordbruch