Nach Unfalltod von Radfahrerin in Berlin: Anwalt von Klima-Aktivist spielt auf Zeit
Berlin - Ein Radfahrerin (44) wird in Berlin von einem Betonmischer überrollt und tödlich verletzt. Der Rettungswagen kommt mit Verspätung an der Unfallstelle an - angeblich wegen einer Blockade der "Letzten Generation". Nun hat in dem Fall, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, der Prozess gegen einen Klima-Aktivisten begonnen.
Ganze 35 Minuten dauert das Verlesen der Anklageschrift vor dem Amtsgericht Tiergarten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, sich zwischen Juni 2022 und Mai 2023 in 27 Fällen an Blockaden der "Letzten Generation" beteiligt zu haben.
Dabei soll er sich mehrfach auch mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn und auf Brücken festgeklebt und so die Polizeiarbeit erschwert haben. Der Vorwurf: Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Winfried L. - trägt Brille, blau-gestreiftes Hemd, dunkle Hose, abgetragene Schuhe - folgt den Worten des Staatsanwalts aufmerksam und mit unbewegter Miene.
Der 64-Jährige hat seinen Beruf als Drucker aufgegeben, lebt laut eigener Aussage von seinen Ersparnissen. L. will sich später im Prozess zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern.
Besonders schwer wiegt an diesem Dienstagmorgen ein Anklagepunkt: Am 31. Oktober vergangenen Jahres soll Winfried L. bei einem Protest auf der A100, Höhe Messepunkt, einen Kilometer langen Stau verursacht haben.
In der Folge seien zwei Einsatzwagen der Berliner Feuerwehr erst mit acht beziehungsweise drei Minuten Verspätung an der Unfallstelle angekommen. Dort war zuvor eine 44-jährige Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren worden.
Der erste Prozesstag bringt vorerst nicht mehr Licht ins Dunkel. Grund sind zwei Anträge der Verteidigung auf Vertagung der Verhandlung.
Verteidigung stellt Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens
So sei die Abteilung 311, die sich vor allem mit Verkehrsdelikten beschäftigt, für den zu verhandelnden Prozess gar nicht zuständig. Im Falle seines Mandanten liege "kein typisches Fehlverhalten eines Verkehrsteilnehmers" vor, so der Verteidiger.
Darüber sei Winfried L. im Vorfeld keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden - unter anderem habe er das umfassende Videomaterial der Polizei nicht sichten können. Daher könne sein Mandant von seinem Recht, sich vor der Hauptverhandlung zu erklären, derzeit keinen Gebrauch machen, erläuterte der Rechtsbeistand.
Amtsrichterin Corinna Holzheid unterbrach die Verhandlung nach einer kurzen Beratung bis zum nächsten Termin am 14. November. Insgesamt sind für diesen Prozess sechs Verhandlungstage terminiert.
Das Ermittlungsverfahren gegen den 64-jährigen Fahrer des Betonmischers wegen fahrlässiger Tötung war bereits zuvor eingestellt worden.
Entlastend für die "Letzte Generation" kommt hinzu: Bereits im April erklärte die Staatsanwaltschaft, dass die Klima-Aktivisten zwar für eine Verspätung der Rettungswagen gesorgt hätten, nicht aber für den Tod der Radfahrerin verantwortlich seien.
Die Frau sei angesichts ihrer schweren Verletzungen auch so nicht mehr zu retten gewesen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete daher in diesem Punkt auf eine Anklage.
Titelfoto: TAG24