Klima-Kleber knallhart: "Menschen könnten sterben, aber das müssen wir riskieren"
Dresden - Christian Bläul (41) ist Dresdens wohl bekanntester Klima-Kleber - und auch weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Von einem Fernsehteam hat er sich ein Jahr lang begleiten lassen und Einblicke in seine Tätigkeiten und Ansichten zum Protest gegeben.
Ein knappes Jahr lang begleitete Benedict Bartsch (18) von Sachsen Fernsehen den radikalen Klima-Aktivisten Christian Bläul - nicht nur bei seinen Klebe-Aktionen in Dresden. Auch in Leipzig und Berlin war Bartsch mit Bläul unterwegs und sammelte Eindrücke aus der Welt der "Letzten Generation".
Von einem "Monsterprojekt" spricht der Reporter gegenüber TAG24. Ganze 374 Minuten TV-Material, also fast 6,5 Stunden, hat er im vergangenen Jahr von Bläul aufgenommen. Und sich jetzt zwei Wochen im Schnittraum bei Sachsen Fernsehen eingeschlossen, um alles in 40 Minuten zu pressen.
Der 18-Jährige gewann dabei ein deutliches Bild von dem 41-jährigen Aktivisten: "Christian Bläul lebt für den Klimaschutz", sagt Bartsch. "Das ist sein Thema und er ist da voll in seinem Element." Das merkt man auch an mehreren Stellen der Langzeitdoku.
Nicht einmal eine halbe Minute vergeht, bis Bläul das erste Mal polarisiert. "Eine Sache, auf die ich immer im Hinterkopf mental drauf vorbereitet bin, ist, dass in unserem Stau jemand stirbt", sagt er zu Beginn des Films und meint: "Das wäre wahnsinnig schwer zu ertragen, aber das ist etwas, was wir zumindest ein Stück weit riskieren müssen."
Dafür gibt es auch sogleich Gegenwind. "Das trage ich überhaupt nicht mit", sagt Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa (59) und schüttelt mit dem Kopf. "Vor dem Hintergrund, dass es genau an den Stauenden um Lebensgefahr geht, ist das rechtswidrig, dürfen sie das nicht."
Für Kubiessa passen solche Aussagen des radikalen Klima-Klebers nicht in sein Rechtsverständnis.
Video-Dokumentation über "Letzte Generation"-Aktivist Christian Bläul
Letzte Generation: Christian Bläul sieht sich als "schüchtern" und den Protest als "unangenehm"
Was auch überrascht: In der 40 Minuten langen TV-Doku betont Bläul, dass ihm solcher Protest, bei dem er sich auf die Straße klebt, "unangenehm" sei. Manchmal würden die Autofahrer aus ihren Fahrzeugen steigen, zu den Demonstranten gehen "und erzählen, warum sie jetzt gerade weiterfahren müssen. Das ist mir super unangenehm."
Der 41-Jährige zeigt dabei auch etwas Verständnis für das Ärgernis, dass die Autofahrer verspüren. "Ich weiß ja, das wir sie gestört haben. Wenn wir nicht da wären, könnten sie weiterfahren. Das ist mir furchtbar unangenehm."
Sich selbst beschreibt der Dresdner als "schüchterner Mensch", der die Aufmerksamkeit scheue. "Aber wir sind mitten in einer Klimakatastrophe und den 'Weiter-so-Pfad' kann ich nicht zulassen, kann ich nicht akzeptieren. Und deswegen bin ich Klima-Kleber", erklärt Bläul, der zuletzt sogar seinen Job kündigte, um Vollzeit-Aktivist sein zu können.
In der Mega-Doku erzählt der Dresdner auch von seiner Zeit in Schweden. Dort klebte er sich auf eine Brücke und saß anschließend für mehr als zwei Wochen im Gefängnis zwischen Drogendealern und Waffenhändlern.
Oma von Christian Bläul hat eine große Bitte, doch der Aktivist kann nichts versprechen
"Wir haben uns ausgetauscht, wer was angestellt hat", sagt Bläul. "Die fanden das alle ganz exotisch, aber auch spannend und gut, dass ich mich fürs Klima einsetze." Er habe sich während seiner Zeit im Knast "absolut sicher" gefühlt.
Am Ende kam der Aktivist mit einer Zahlung von 75 Euro an einen Opferhilfefonds davon. Doch dagegen hat er Berufung eingelegt - Ausgang ungewiss.
Insgesamt, so überschlägt er seine bislang kassierten Strafen, muss Bläul wohl um die 25.000 Euro für seine Protestaktionen zahlen. Das schreckt ihn nicht von weiteren Vorhaben ab: "Ich bin fest davon überzeugt, dass ich noch ganz verschiedene Aktionsformen ausprobieren werde."
Der Oma von Christian Bläul, die hin und wieder an den Protesten teilnimmt, ist dabei nur eins wichtig. "Bitte nicht auf die Flugplätze und in die Gemäldegalerie", fordert sie ihren Enkel am Rande einer Demo auf. Aber: "Ich weiß nicht, ob ich jeden Wunsch meiner Oma erfüllen kann", erklärt der 41-Jährige dazu.
"So gern ich würde... Ich kann das nicht ausschließen. Das könnte schon noch kommen, dass ich auch mal auf einen Flughafen gehe oder mich auch mal an ein Gemälde klebe."
Die ganze Dokumentation über den Dresdner Klima-Kleber läuft am Dienstagabend, 20.45 Uhr, bei Sachsen Fernsehen. Seit dem heutigen Samstagnachmittag gibt's den Film schon vorab auf sachsen-fernsehen.de zu sehen.
Titelfoto: Montage: Sachsen Fernsehen, xcitepress