Irgendwo in Berlin sind immer Ferien! Oder: Geht hier eigentlich irgendwer arbeiten?

Berlin - In Berlin haben die Schulferien angefangen. Viel merkt man davon nicht. Schließlich arbeitet in dieser Stadt gefühlt eh niemand so wirklich. Eine Kiez-Jeschichte.

Warum nicht mal auf dem Pariser Platz entspannen?
Warum nicht mal auf dem Pariser Platz entspannen?  © Julian Stratenschulte/dpa, Paul Zinken/dpa (Bildmontage)

Neulich saß ich im Regionalexpress, der in Richtung einer beliebten Urlaubsregion fahren sollte, dann aber wegen heilloser Überfüllung nicht losdurfte.

Die Deutsche Bahn reagierte gewohnt kundenfreundlich und drohte mit Räumung durch die Bundespolizei. In diesem Moment fiel es mir ein: ah ja, Ferienzeit.

Nicht, dass das einen Unterschied gemacht hätte. Denn beim Kontrollgang durch meinen Kiez ist dann doch wieder alles beim Alten. Sprich: Hier sieht ohnehin niemand aus, als müsse er morgen früh raus.

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Der Späti an der Ecke hat einfach immer auf, die Bänke davor sind immer voll, und immer wird getrunken. Auch um sieben Uhr morgens, wenn ich gerade zur Arbeit fahre. Gen-Z-Kids, Trinkveteranen und Kleindealer - bei allen scheint der Holiday-Mode permanent auf "on" geschaltet (außer bei mir und dem Späti-Verkäufer, denke ich).

Denn es ist ja so: Nach Berlin kommen die Leute gerade, um NICHT zu arbeiten oder zumindest nicht so richtig. Da wird ein bisschen gejobbt, hier und da was gemacht, aber das Nine-to-Five-Hamsterrad gilt es zu vermeiden.

Kein Wunder, dass in der Hauptstadt am 2. Mai traditionell unter dem Motto "Nie wieder Arbeit" gegen den Zwang zur Lohnarbeit demonstriert wird. Na klar!

Auf der Suche nach Wegen raus aus dem Office

Wenn's hart auf hart kommt, regelt die Krankmeldung.
Wenn's hart auf hart kommt, regelt die Krankmeldung.  © Bernd Weißbrod/dpa

Arbeitsverweigerung als Lifestyle und als politischer Akt - und das nicht erst seit gestern. Man denke an die Scharen junger Männer, die bis 1990 in die Hauptstadt kamen, weil es im wilden West-Berlin keine Wehrpflicht, dafür aber auch keine Sperrstunde gab.

Die Künstler, Queers und Außenseiter, die in dunklen Kellerbars größtmöglichen Abstand zum bundesrepublikanischen Büro-Horror suchten.

Und auch heute noch kann man sich 24/7 sicher sein, dass immer irgendwo noch irgendwas ist. Dass irgendwo noch gestritten, getanzt, getrunken, gequatscht, gewerkelt wird. Wer aus der Schule raus ist, weiß spätestens dann: Irgendwo in Berlin sind immer Ferien.

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Doch diese Leben jenseits der Stechuhr sind heute auch bedroht. Berlin muss man sich inzwischen leisten können. Wer nicht weiß, wovon er im nächsten Monat die Miete zahlen soll, hat anderes im Sinn als Sterni-Dolce-Vita. Oft sind von Verdrängung als Erstes diejenigen betroffen, die einen Kiez überhaupt erst attraktiv gemacht haben.

Bleibt zu hoffen, dass trotz allem die bunten Vögel bleiben, die da nicht mitmachen. Sonst muss am Ende doch noch einer richtig arbeiten. Wo kämen wir denn da hin?

Titelfoto: Julian Stratenschulte/dpa, Paul Zinken/dpa (Bildmontage)

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