Als ich an einem sonnigen Tag in Neukölln den LBS-Spießer Ingo Naujoks fotografierte

Berlin - TV, TikTok, Instagram, Snapchat und, ja, Zeitung. Wir leben in einer medial geprägten Welt, einer Welt der Bilder. Doch wer drückt auf den Auslöser? Einblick in den Alltag eines Fotografen.

Ever Montgomery (gespielt von Ingo Naujoks) bittet seine Nachbarin Senga Quinn (gespielt von Nadine Schori) um Tanzunterricht.
Ever Montgomery (gespielt von Ingo Naujoks) bittet seine Nachbarin Senga Quinn (gespielt von Nadine Schori) um Tanzunterricht.  © Denis Zielke/TAG24

Wer an Theater denkt, denkt an rauschende Nächte, Blitzlichtgewitter, Stars auf dem roten Teppich. Irgendwo in Berlin-Mitte.

Anders gelagert ist dieser Lokaltermin. Es ist frühe Mittagszeit, ungewöhnlich.

Schauplatz ist die immerhin und immerzu quirlige Karl-Marx-Straße. Der Weg führt mich, den Autor dieser Zeilen, zum Heimathafen Neukölln. Eingeräumt ist eine Fotoprobe zur Neuauflage von "Die Tanzstunde" mit Nadine Schori (48, spielte schon mit Theater-Legende Katharina Thalbach) und Ingo Naujoks (62, "Morden im Norden").

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Letzteren kennen viele zudem noch als Anarcho-Vater aus einem Werbespot der Landesbausparkasse von 2004, dessen zottelige Bauwagen-Tochter zu ihm sagte: "Papa, wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden."

Den vielseitigen Schauspieler ("Karniggels") zu sehen, ist mir aus vielerlei Gründen ein inneres Blumenpflücken, aber schweifen wir nicht ab. Es ist 11.45 Uhr, im Heimathafen werden die ersten 30 Minuten von "Die Tanzstunde" gezeigt, ein komisch-tragisches Stück über zwei Großstadtneurotiker in bester Woody-Allen-Manier.

Da ist zum einen Senga Quinn. Sie brach sich bei einem Unfall ein Bein, bangt nun wegen der Verletzung um ihre Zukunft als Tänzerin.

Zum anderen ihr Nachbar Ever Montgomery. Der Professor für Geowissenschaften ist Autist. Er muss für eine Preisverleihung tanzen lernen, aber seine komplexe Entwicklungsstörung erlaubt ihm keinen Körperkontakt. Jede Berührung ist für ihn "wie Wasserfolter".

LBS-Spießer Ingo Naujoks

"Die Tanzstunde" mit Nadine Schori und Ingo Naujoks im Heimathafen Neukölln

Quinn ertränkt wegen ihrer Beinverletzung ihren Kummer in Alkohol.
Quinn ertränkt wegen ihrer Beinverletzung ihren Kummer in Alkohol.  © Denis Zielke/TAG24
Quinn schlägt ob Montgomerys Tanzversuchen die Hände über dem Kopf zusammen.
Quinn schlägt ob Montgomerys Tanzversuchen die Hände über dem Kopf zusammen.  © Denis Zielke/TAG24

Als ich eintreffe, sind die Pressefotografen schon da. Sie sind leicht zu erkennen an ihren fetten Spiegelreflexkameras mit Teleobjektiven. Und ich? Ich mag es kompakt. Systemkamera, lichtstarke Festbrennweite. Günstig und herausfordernd.

Es wird geflachst zwischen den Fotomenschen. Wenig verwunderlich, denn Theatertermine sind entspannt.

Die Beleuchtung ist nicht willkürlich, bleibt konstant, die Darsteller, heute zwei, bewegen sich nicht erratisch. Wer einmal Festivals oder Konzerte (nur die ersten drei Lieder im Graben) fotografierte, im schlimmsten Falle in schummerigen Bars mit Rotlicht (der Killer!), weiß diese Umstände zu schätzen.

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Ich hocke zwischen den Stühlen, krauche umher und es bleibt sogar Zeit, das Stück zu verfolgen. "Ich bin lahm, sie tragen Krücken", scherzt Montgomery. Seine Nachbarin hat bald die Faxen dicke. "Ich ziehe um", spricht sie entnervt und der rote Samtvorhang fällt.

"Die Tanzstunde" feiert am Sonntag, dem 18. August, um 18 Uhr im Heimathafen Neukölln Premiere.

Titelfoto: Denis Zielke/TAG24

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