Warnung kam schon Wochen vorher: Hätte das Hamas-Massaker verhindert werden können?
Israel - Wenige Wochen vor dem beispiellosen Überfall der Hamas auf Israel hat der israelische Militärgeheimdienst laut einem Medienbericht vor entsprechenden Plänen der palästinensischen Islamisten gewarnt.
Der öffentlich-rechtliche Sender Kan berichtete am Montag, eine Aufklärungseinheit der israelischen Armee habe am 19. September in einem Bericht an ihre Vorgesetzten konkrete Vorbereitungen der Hamas beschrieben - weniger als drei Wochen vor deren Großangriff am 7. Oktober.
Das Dokument der israelischen Geheimdiensteinheit 8200 enthielt demnach konkrete Hinweise auf Hamas-Elitekämpfer, die sich darauf vorbereiteten, Militärbasen und zivile Ortschaften im Süden Israels anzugreifen. Auch vor den Hamas-Plänen, Geiseln zu nehmen, wurde demnach gewarnt.
Wie Kan unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Sicherheitskräfte berichtete, war das Schreiben den Geheimdienstmitarbeitern der Gaza-Division und des Südkommandos der Armee bekannt.
Demnach zielten die Pläne der Islamisten darauf ab, hunderte Menschen in den Gazastreifen zu verschleppen. "Die erwartete Zahl der Geiseln: 200 bis 250 Menschen", heißt es laut Kan in dem Dokument.
Bei ihrem brutalen Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatten die Islamisten der Hamas und des Palästinensischen Dschihad laut israelischen Angaben 1194 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, darunter Frauen und Kinder. Einige von ihnen wurden inzwischen freigelassen, andere befreit.
116 Geiseln sind demnach noch immer in der Gewalt der Hamas und weiterer Palästinensergruppen. 41 von ihnen sind vermutlich tot.
Tausende Opfer, doch bislang kein Ende des Gaza-Krieges in Sicht
Als Reaktion auf den beispiellosen Hamas-Angriff geht Israel seit Oktober massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, wurden dabei bislang mehr als 37.370 Menschen getötet.
Die israelische Armee teilte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP auf Anfrage mit, die Ereignisse vom 7. Oktober und "davor" würden "untersucht". Es sei "aktiv" eine Untersuchung im Gange, deren Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht würden. Ziel dieser Untersuchung sei es, "daraus zu lernen und die notwendigen Lehren zu ziehen".
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (74) weigert sich bislang, vor dem Ende des andauernden Kriegs im Gazastreifen eine offizielle Untersuchungskommission zu den Ereignissen des 7. Oktober einzuberufen. Bislang zogen nur wenige verantwortliche Armee-Kommandeure Konsequenzen aus dem Hamas-Großangriff.
Im April trat der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, General Aharon Haliva (56), zurück. Er begründete den Schritt damit, die Geheimdienstabteilung der Armee sei der ihr anvertrauten Aufgabe nicht gerecht geworden. Im Juni gab dann der Kommandeur der Gaza-Division, Brigadegeneral Avi Rosenfeld (49), seinen Rücktritt bekannt.
Titelfoto: JACK GUEZ/AFP