Mehr antisemitische Vorfälle seit Hamas-Angriff: "Müssen um ihre Sicherheit fürchten"
München - Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Bayern hat seit dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel erkennbar zugenommen.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in Bayern verzeichnete seit dem Angriff am 7. Oktober bislang 35 Vorfälle mit Bezug zu den Ereignissen in Israel, wie ein Sprecher in München mitteilte.
Stichtag war der 19. Oktober. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres verzeichnete die Stelle 15 Vorfälle - darunter sämtliche antisemitischen Vorfälle in Bayern auch ohne Bezug zu Israel.
Online und auf den Straßen sei eine antisemitische Grundstimmung massiv spürbar, teilte die Leiterin von Rias Bayern, Annette Seidel-Arpacı, zu den Zahlen mit. Wer sich öffentlich als Jude zu erkennen gebe oder sich solidarisch mit Israel zeige, müsse damit rechnen, antisemitisch angegangen zu werden.
"Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden nach und wegen eines antisemitischen Massakers auch hierzulande um ihre Sicherheit fürchten müssen."
Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) konnte zunächst keine Zahlen zu antisemitischen Vorfällen seit dem Hamas-Angriff nennen. Ein Sprecher verwies auf eine zeitliche Verzögerung, mit der Fälle statistisch erfasst werden.
Rias geschockt: Antisemitische Grundstimmung online und auf den Straßen
Im gesamten Jahr 2022 verzeichnete Rias Bayern 422 antisemitische Vorfälle im Freistaat. Das LKA führt für das Vorjahr 358 antisemitische Straftaten in Bayern auf. Bis Ende September dieses Jahres hat die Polizei laut vorläufigen Daten bereits 184 solcher Straftaten erfasst.
In München hatten sich zum Beispiel am 9. Oktober zahlreiche Menschen zu einer pro-palästinensischen Demonstration auf dem Marienplatz versammelt. Nach Angaben der Stadt sind dabei "mehrfach antisemitische Äußerungen gefallen und solche Äußerungen, die auch als Billigung der Terrorangriffe gewertet werden könnten". Es seien Strafverfahren wegen Beleidigung und Volksverhetzung eingeleitet worden.
In Augsburg ist binnen weniger Tage zum zweiten Mal eine aus Solidarität am Rathausplatz aufgehängte israelische Flagge heruntergerissen worden. In beiden Fällen wird nun wegen Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten und Sachbeschädigung ermittelt.
Auch bundesweit hat die Zahl der antisemitischen Vorfälle seit dem Angriff der Hamas auf Israel deutlich zugenommen. Der Rias-Bundesverband dokumentierte seit dem Hamas-Angriff 202 Vorfälle - 240 Prozent mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahrs. Neun von zehn Fälle seien dabei "israelbezogener Antisemitismus", teilte der Bundesverband mit.
Rias ist ein Netzwerk von Meldestellen, bei denen Betroffene und Zeugen von antisemitischen Vorfällen berichten können. Die Dokumentationsstelle wird gefördert vom Bundesbeauftragten gegen Antisemitismus, Felix Klein.
Titelfoto: Matthias Balk/dpa