LKA-Chef sieht Gefahr durch TikTok: "Minderjährige radikalisieren sich selbst"
Von Ira Schaible
Mainz - Der Präsident des Landeskriminalamts (LKA) in Rheinland-Pfalz, Mario Germano (50), sieht eine wachsende Selbstradikalisierung junger Menschen auf TikTok.
"Wir hatten jetzt vermehrt Fälle, in denen Minderjährige über TikTok radikalisiert wurden", sagte Germano im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Mainz.
Dies gelte insbesondere für islamistische Täter oder geplante islamistische Anschläge, "die wir noch verhindern konnten".
Viele dieser Beschuldigten hätten über TikTok überhaupt erst den Zugang zum Thema Islamismus gefunden.
Islamistische und rechtsradikale Propaganda habe mit TikTok eine Plattform gefunden, auf der sich viel einfacher und viel größere Menschengruppen ansprechen ließen als früher mit dem Verteilen von Flyern auf Marktplätzen oder umstrittenen Auftritten in den Innenstädten, sagte Germano. "Das wird gezielt ausgenutzt."
"Auf TikTok haben radikale Gruppierungen Livestreamformate und sie können verschiedene Formen von Videoschnipseln einspielen, die der Algorithmus dann wieder ausspielt, letzten Endes also für sie arbeitet."
Dies sei viel effektiver als Menschen anzusprechen. "Für Menschenfänger ist es bequemer geworden, auf TikTok aktiv zu werden", besonders weil der Algorithmus die empfängliche Zielgruppe ohne Aufwand auswähle.
Der Algorithmus spült Propaganda ins Kinderzimmer
Wer die Tricks und Kniffe verstanden habe, mit denen sich die Reichweite auf TikTok erhöhen lasse, der schaffe es leicht in die Kinderzimmer.
"Der kommt dann zu Menschen, die teilweise mit Problemen belastet sind, vielleicht auch Identitätsprobleme haben oder Anpassungsprobleme", sagte Germano.
Diese Kinder und Jugendlichen fänden dann erst einmal einen Kommunikationspartner, mit dem sie sich über bestimmte Fragen austauschen könnten. "Quasi psychologische Unterstützung im Kinderzimmer."
Dann werde immer mehr Spaltung betrieben und der Kontakt gezielt genutzt, um Radikalisierung voranzutreiben.
Titelfoto: Bild-Montage: Monika Skolimowska/dpa, Helmut Fricke/dpa