Tausende Männer schwärmen von ihren Kurven, doch früher wurde Alisa gemobbt
Karlsruhe - Alisa Piecha (30) ist eine attraktive, junge Frau. Auf ihrem Instagram-Account "lieslkennsch" folgen ihr rund 20.000 Menschen. Sie liken und kommentieren fleißig, wenn die kurvige 30-Jährige wieder ein Foto hochlädt.
Doch die Plus-Size-Bloggerin (Konfektionsgröße 50) war nicht immer so selbstbewusst. Wir haben mit ihr über Mobbing, die Liebe zum eigenen Körper und den Wandel von Schönheitsidealen gesprochen.
TAG24: Auf Instagram-Fotos wirken Sie sehr im Reinen mit sich und Ihrem Körper. War das schon immer so?
Alisa Piecha: Nein, das war es nicht. Gerade als kurvige Frau und bestimmt auch als kurviger Mann hat man es nicht leicht. Vor allem in der Schulzeit nicht. Ich glaube, das kann jeder nachvollziehen, der als Kind dick war.
Wer anders aussieht, bekommt das von seinen Mitschülern zu hören. Ob man eine krumme Nase hat, zu dick ist, zu dünn ist: Man wird gemobbt.
Wenn man in die Pubertät kommt, dann fängt es ja auch mit den Jungs an. Und wenn die Freundinnen alle einen Freund haben und Du als dickes Mädchen nicht, weil die Jungs befürchten, ausgelacht zu werden mit Dir an ihrer Seite... das tut natürlich sehr weh.
Eigentlich bestand meine ganze Kindheit und Jugend nur aus Diäten. Mit 16 oder 17 war ich dadurch dann relativ schlank, aber ich durfte nur noch Salat essen und fühlte mich so auch nicht wohl. Ich wurde unglücklicher statt glücklicher.
Und dann lernte ich, dass es nicht ums Aussehen geht, sondern um Charakter und Ausstrahlung. Und dann habe ich auch sehr gerne wieder zugenommen. (lacht) Wenn ich heutzutage Lust auf Salat habe, esse ich Salat. Und wenn ich Schokolade möchte, dann Schokolade.
TAG24: Wie genau kam es dazu, dass Sie den Schalter im Kopf umgelegt haben?
Alisa Piecha: Als ich zunahm, fühlte ich mich zwar besser, merkte aber die wertenden Blicke anderer Menschen. Ich bin also zum Beispiel nicht ins Schwimmbad gegangen. Oder habe mir am Hotel-Buffet nur eine kleine Portion und keinen Nachschlag geholt, obwohl ich noch Hunger hatte.
Weil ich befürchtete, die Leute denken: "Guck mal DIE an, die sieht schon so aus."
Mir wurde erst egal, was die Leute dachten, nach der Geburt meiner ersten Tochter. Damals war ich 23. Da dachte ich mir: Ich verstecke mich hier zu Hause mit meiner Tochter und gehe nicht mit ihr ins Schwimmbad. Und bringe ihr damit bei, dass man sich für sein Aussehen verstecken müsste!
Da kam das Umdenken. Und dann bin ich für meine Tochter über meinen Schatten gesprungen.
Mobbing wegen des Gewichts: Das rät sie Teenagern
TAG24: Nachdem Sie selbst Mobbing-Erfahrungen wegen Ihres Gewichts machen mussten: Wie sollten junge Frauen und Männer damit umgehen?
Alisa Piecha: Zunächst mal: Es gibt sicherlich viele junge Menschen, die dick sind und das nicht sein möchten. Dann muss man natürlich was tun und daran arbeiten.
Wenn man aber daheim in den Spiegel schaut und sich denkt "Was habt Ihr denn alle? Ich finde mich gut so", dann muss man komplett ausblenden, was andere sagen. Leicht ist das natürlich nicht, wenn man täglich Sprüche abbekommt.
Darum kann ich Pubertierenden nur sagen: Haltet durch, bis die Schulzeit vorbei ist, dann wird alles besser. Wenn ich meinem jüngeren Ich begegnen würde, dann würde ich sagen: Es ist gerade blöd, Du hast keinen Freund. Aber wenn Du erwachsen bist, sieht die Sache anders aus.
TAG24: Nun ist seit Ihrer Jugend gesellschaftlich einiges in Bewegung gekommen. Die Mode-Industrie etwa war früher dominiert von sehr dünnen Frauen. Inzwischen gibt es Curvy-Models wie Ashley Graham oder Angelina Kirsch, die sehr erfolgreich sind. Wie nehmen Sie diese Veränderung wahr?
Alisa Piecha: Gerade kleidungstechnisch hat sich viel getan. Ich kaufe aber vorwiegend immer noch in Shops aus den USA ein, weil die da einfach etwas weiter sind. Hier in Deutschland ist der Markt aber auf jeden Fall gewachsen.
Ich dachte eigentlich, dass sich nicht nur in der Mode, sondern auch in den Köpfen etwas getan hätte. Mittlerweile bin ich auf TikTok unterwegs, dort sind die Nutzer eher jünger.
Und da bekomme ich wieder die gleichen Sprüche von früher ab. Nur jetzt stört es mich nicht mehr. Aber es schockiert mich, dass es noch ist wie früher.
TAG24: Apropos Social Media: Wie kam es dazu, dass Sie auf Instagram aktiv wurden?
Alisa Piecha: Eigentlich fing alles mit Facebook an. Kurz vor der Geburt meiner ersten Tochter erstellte ich die Seite "Do it curvy", wo ich meine Gedanken niederschreiben konnte. Ich brauchte ein Ventil und hätte nicht damit gerechnet, dass das viele Leute lesen.
Dort schrieb ich mir eben Sachen von der Seele, etwa was Mobbing angeht. Aber offenbar sprach es Leute an. Denen gefiel, was ich tat.
Und als ich für "Do it curvy" Fotoshootings machte, merkte ich, dass mich die Bilder auf dem Weg zur Selbstliebe weiterbringen. Und dann wechselte ich von Facebook zu Instagram.
Komplimente auf Instagram, Beleidigungen auf TikTok
TAG24: Wie reagieren die Instagram-Nutzer auf Ihre Fotos?
Alisa Piecha: Ich präsentiere dort ja durchaus auch mal gewagtere Bilder, zeige gerne Ausschnitt. Das ist etwas, was mir gefällt. Und das ist sicherlich ein Grund, warum mir ganz viele Männer folgen.
Aber andererseits melden sich auch viele junge, unsichere Mädchen bei mir und fragen mich etwa, wie ich es schaffe, so selbstbewusst zu sein. Und denen möchte ich helfen, weil ich ja weiß, wie schwer es ist.
Negative Kommentare gibt es auf Instagram wenige, dort bekomme ich eher Komplimente für mein Aussehen. Wenn dort Kritik kommt, dann ist sie konstruktiv. Auf TikTok ist das anders, da wird es teils sehr beleidigend. Das liegt aber wohl auch am jungen Alter der dortigen Nutzer.
TAG24: Also wieder so ein bisschen wie auf dem Schulhof früher?
Alisa Piecha: Genau. Darum hat mich das auch so schockiert. Ich habe kleine Töchter, die irgendwann in die Schule müssen, und ich dachte, durch den Umschwung in der Modebranche würde auch an der Schule mehr Toleranz herrschen.
Aber wenn ich sehe, wie bösartig die Menschen auf TikTok kommentieren, weil ich dick bin, dann weiß ich: In der Schule hat sich da noch nichts geändert. Aber man ist halt auch jung und will vielleicht bei den anderen gut ankommen, indem man einen Spruch über die Dicke reißt...
TAG24: Sie arbeiten als Erzieherin und machen auf Instagram durchaus erotische Bilder. Wie hat Ihr privates, aber auch Ihr berufliches Umfeld darauf reagiert?
Alisa Piecha: Da war man durchweg begeistert. Die kennen mich ja auch, die wissen wie ich bin. Was ich auf Instagram anhabe, trage ich ja auch privat. Auch im Kindergarten hat niemand ein böses Wort verloren. Dort laufe ich aber nicht aufreizend herum. (lacht)
Wissenswertes zu Alisa Piecha alias "lieslkennsch"
Die modebegeisterte Plus-Size-Bloggerin Alisa Piecha kommt aus Karlsruhe, ist Mama von drei Kindern und arbeitet als Erzieherin. Sie hofft, dass durch ihr Vorbild möglichst viele junge Frauen dazu inspiriert werden, ihre Kurven anzunehmen und sich zu lieben, wie sie sind.
Titelfoto: Montage: lieslkennsch