"Enddarmbewohner" und kriminelle Einwanderer: Wikipedia-Artikel von Bundesbehörden manipuliert?
Frankfurt am Main - Aus den Netzwerken des Bundes und anderen Behörden sind nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im großen Maßstab Änderungen von Wikipedia-Inhalten vorgenommen worden.
Die Netzadressen ("IP-Adressen"), von denen aus auch Vandalismus-Angriffe auf Artikel ausgeführt wurden, sind bei den Registrierungsstellen des Internets dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zugeordnet.
Allerdings nutzt nicht nur das BSI selbst diesen Adressraum, sondern auch Behörden, die den Netzen des Bundes (NdB) angeschlossen sind. Die Urheber der Änderungen blieben daher derzeit "anonym".
Aus dem Behörden-Adressraum heraus seien in den vergangenen Jahren mehr als 17.000 Bearbeitungen in der deutschen Wikipedia vorgenommen worden - zuletzt etwa an den Artikeln "Bombenlegeraffäre" und "Gasreserve".
In jüngerer Zeit sei versucht worden, den Eintrag von Vizekanzler Robert Habeck (52, Grüne) mit dem strafrechtlichen Vorwurf auszubauen, er habe sich am Corona-Bonus seiner Partei bereichert. Diese Änderung wurde allerdings von der Wikipedia-Community wieder rückgängig gemacht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden Ende März eingestellt, da sich der Anfangsverdacht wegen Untreue nicht bewahrheitet hatte.
Im Artikel "Illegaler Einwanderung und illegaler Aufenthalt" habe ein Anwender aus dem Behörden-Netzwerk heraus im Juni 2021 versucht, Einwanderer zu kriminalisieren. Im Wikipedia-Artikel "Journalist" habe wiederum ein Nutzer aus dem Behördennetzwerk heraus die Berufsgruppe als "Enddarmbewohner der Mächtigen" verunglimpft.
Außerdem fügte er ein, dass Journalisten "auch Lohnschreiber oder Presse-Hure genannt" würden. Auch diese Änderungen wurden rückgängig gemacht.
Auch Vizekanzler Robert Habeck geriet ins Visier der Wikipedia-Verunglimpfer
Mit den aus Behördennetzen vorgenommen Fällen von Vandalismus sowie dort verzeichneten Verstößen gegen das Urheberrecht oder Persönlichkeitsrechte machen sich die Autoren unter Umständen strafbar.
Zudem verstoßen sie in den meisten Fällen gegen das Dienstrecht, wonach technische Behördeneinrichtungen nicht für private Feldzüge missbraucht werden dürfen.
Titelfoto: dpa/Sebastian Gollnow