Infektiologe erklärt: Das steht uns im Herbst an Erkrankungen bevor
München - Der Münchner Infektiologe Christoph Spinner (39) gliedert Corona zur nahenden Erkältungssaison in die Reihe anderer Atemwegserkrankungen ein.
"Natürlich wird die Zahl der Atemwegserkrankungen zunehmen, damit auch die Infektionen mit Sars-CoV-2. Aber ich sehe keine Notwendigkeit, Sars-CoV-2 noch besonders herauszuheben", sagte der Leiter der Infektiologie des Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.
"Es macht keinen Sinn, die Aufmerksamkeit primär auf Corona zu legen. Es ist eine Atemwegsinfektion. Sie ist lästig. Keiner will es haben."
Schon jetzt sei eine leichte Zunahme der Atemwegserkrankungen zu sehen, und damit auch der Corona-Fälle. "Es passiert, was erwartbar ist: Die Zahlen gehen hoch", sagte Spinner. Die Notwendigkeit besonderer Maßnahmen in der Allgemeinheit sehe er derzeit nicht. "Die Konsequenz daraus ist weder mehr zu testen noch Masken zu tragen."
Die Maske sei ein probates Mittel bei spezieller Gefährdung, etwa für Ärzte im Umgang mit Infizierten. "Sie ist aber kein wirksames Instrument, um in der breiten Allgemeinheit dauerhaft eine Infektion zu vermeiden."
Es bleibe zugleich bei den Grundregeln aus der Pandemie: "Wer krank ist, bleibt zu Hause." Und: "Ältere und Risikogruppen sollten sich impfen lassen." Hier hält Spinner die Grippe-Impfung für mindestens so wichtig wie die Corona-Impfung.
Influenza-Infektionen übersteigt Zahl der Corona-Fälle, Poster-Impfung trotzdem empfohlen
Die Zahl der Influenza-Infektionen habe im vergangenen Winter deutlich über der Zahl der Corona-Fälle gelegen. Rund 24 Millionen Menschen in Deutschland - etwa jeder vierte - sei an einer Atemwegsinfektion erkrankt. Die Mehrzahl der Fälle sei durch das Grippevirus verursacht worden. "Die Influenza war mit Abstand die häufigste Atemwegserkrankung."
Zu den Top 3 der Atemwegserreger neben anderen Erkältungsviren zählte das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Es treffe keineswegs nur Kleinkinder, sondern auch Erwachsene. Corona habe hingegen nur noch an dritter bis fünfter Stelle gelegen.
Bei Corona sind derzeit vor allem zwei Omikron-Abkömmlinge im Blick. EG.5, auch Eris, könnte für mehr Fälle sorgen. Die neuen Impfstoffe unter anderem von Moderna, Pfizer und Biontech sind derzeit auf XBB.1.5 angepasst. Deutlich stärker mutiert ist die Variante BA.2.86, diese wurde bisher in Deutschland laut RKI noch nicht nachgewiesen.
"Wir werden immer neue Varianten sehen", sagte Spinner. "Jede Boosterung reduziert das Risiko schwerer Covid-19-Verläufe – vor allem bei chronisch Kranken und Älteren." Dabei gehe es vor allem um die zelluläre Immunität, die länger anhält als der nur wenige Monate aktive Antikörper-Schutz.
"Sie hält bei Gesunden wahrscheinlich viele Jahre an, weshalb auch keine Covid-19-Boosterung in der Allgemeinbevölkerung mehr empfohlen wird."
Titelfoto: Bildmontage: Angelika Warmuth/dpa, Susann Prautsch/dpa