Gift von oben: Verseuchtes Regenwasser wird zum Problem
Zürich (Schweiz) - Noch immer ist das massive Fischsterben in der Oder und weiteren Flüssen in Polen und Deutschland nicht zu Ende. In Brandenburg ermittelt inzwischen das Landeskriminalamt (LKA), bei unseren Nachbarn die Staatsanwaltschaft Wrocław (Breslau) wegen eines möglichen Umweltdelikts. Nun sorgen weitere Chemikalien für Aufsehen - im Regenwasser!
Sie sind in Böden, Trinkwasser, Futtermitteln und in Gegenständen des täglichen Bedarfs nachweisbar: Sogenannte PFAS-Chemikalien. Laut der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sind vor allem Fisch, Obst und Eier sowie daraus hergestellte Lebensmittelerzeugnisse damit belastet. Deklariert werden müssen sie nicht.
Wie das Schweizer Verbrauchermagazin Beobachter berichtet, schlagen nun die Forscher Alarm. Denn weltweit sei das Regenwasser mit PFAS verseucht. Vielerorts komme es sogar zu einem Überschreiten der Belastungsgrenze. Auch Schnee sei betroffen.
"Das globale Vorkommen von PFAS im Regenwasser zeigt, dass die Belastungsgrenze des Planeten für diese menschengemachten Substanzen überschritten ist", sagt Martin Scheringer, Forscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.
Laut EFSA sind PFAS künstlich hergestellte chemische Verbindungen. Die Abkürzung steht für rund 4700 per- und polyfluorierte Alkylverbindungen.
Die fett- und wasserabweisenden Industriechemikalien werden beispielsweise in Teflonpfannen, Outdoorkleidung, Kosmetik und Lebensmittelverpackungen verwendet. Was genau drin ist? Weiß niemand, bis auf die Hersteller.
Verschmutzung der Umwelt
Scheringer erklärt, dass zwar immer nach der Giftigkeit dieser Stoffe gefragt werde. Doch ein weitaus größeres Problem sei ihre extreme Langlebigkeit, "die dazu führt, dass das Problem jetzt außer Kontrolle gerät". Während sich andere giftige Substanzen wie Nikotin schnell in der Umwelt zersetzen, machen die PFAS das nicht. Im Gegenteil: Sie seien auffällig stabil. "Das ist, was uns beunruhigt."
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Stockholm konnte Schweringer nachweisen, dass PFAS selbst in der Antarktis in Regenwasser und Schnee vorkommen. Außerdem wurde im tibetischen Hochland der empfohlene Trinkwasser-Grenzwert um das 14-fache überschritten. "Es ist ein Alarmsignal, dass die Umwelt global so deutlich mit diesen Stoffen verschmutzt ist", sagt Scheringer.
Welche Gefahren bestehen für die Menschen? Auf die Gesundheit würden die Chemikalien unterschiedlich stark wirken, weiß der Schweizer. Bei Männern könnte sich etwa die Zahl der Spermien verringern, Kinder würden nach Impfungen weniger Antikörper bilden. Auch Krebserkrankungen werden bei zu viel Gift im Körper nicht ausgeschlossen.
Wenn sich die PFAS immer mehr in den Menschen anreichern, dann würden auch immer mehr Menschen gesundheitliche Schäden davontragen. "Man darf mit diesen Stoffen nicht so umgehen", sagt Scheringer.
Da die PFAS auf keinem Produktetikett auftauchen, wissen Verbraucher meist nicht, wo sie drinstecken. Verboten wurden bislang nur die besonders gefährlichen Varianten.
Scheringer nimmt deshalb Industrie und Politik in die Pflicht, daran etwas zu ändern und nur noch ausgewählte PFAS zuzulassen.
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