Experten prognostizieren: Krankenkassenbeitrag wird sich dieses Jahr erhöhen
Berlin/Bonn - Die Kosten im Gesundheitssystem steigen von Jahr zu Jahr. Und immer im Herbst stellt sich deshalb die Frage: Wie sehr ziehen die Krankenkassenbeiträge nächstes Jahr an? Die Antwort diesmal: Deutlich.
Die Krankenversicherung könnte für viele gesetzlich Versicherte im kommenden Jahr spürbar teurer werden. Experten des sogenannten Schätzerkreises haben für das Bundestagswahljahr 2025 eine rechnerisch nötige Beitragssatzerhöhung um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent vom beitragspflichtigen Einkommen ermittelt, wie das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn mitteilte. "Politico" hatte zuvor berichtet.
Im Schätzerkreis sitzen Fachleute des Bundesgesundheitsministeriums, des BAS und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV).
Konkret geht es um den Anstieg des sogenannten Zusatzbeitrages. Alle gesetzlich Versicherten haben den festen Beitragssatz von 14,6 Prozent - zur Hälfte getragen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Darüber hinaus erheben die aktuell 95 gesetzlichen Kassen zur Kostendeckung einen Zusatzbeitrag, der ebenfalls hälftig von beiden Seiten gezahlt wird.
Bei 3000 Euro brutto 12 Euro weniger netto
Die Prognose des Schätzerkreises ist nach GKV-Angaben eine theoretische Größe, die sich aus dem Verhältnis von laufenden Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen insgesamt ergibt. Auf Basis dieser Schätzung gibt das Gesundheitsministerium bis zum 1. November einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das kommende Jahr bekannt. Die genaue Höhe legen die Krankenkassen dann aber jeweils für sich fest.
Deshalb lassen sich jetzt noch keine genauen Angaben zur tatsächlichen Höhe der Kosten für den Einzelnen machen. Rechnerisch würde eine Erhöhung um 0,8 Prozentpunkte bei einem Einkommen von 3000 Euro brutto im Monat 12 Euro weniger netto bedeuten - die anderen 12 zahlt der Arbeitgeber. Erhöht eine Kasse den Zusatzbeitragssatz, haben die Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht.
Die Kassen hatten schon Anfang September gewarnt, dass ihre Ausgaben im ersten Halbjahr noch stärker gestiegen seien als im ersten Quartal. Das Defizit sei auf mehr als 2 Milliarden Euro angewachsen und werde im Gesamtjahr bis zu 4,5 Milliarden Euro erreichen.
Lauterbach: Deutsches Gesundheitssystem das teuerste in Europa
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (61, SPD) teilte in einer ersten Reaktion mit: "Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichen
nicht effizient ist."
Eine wesentliche Ursache für die steigenden Kassenbeiträge seien im Rekordtempo steigende Ausgaben für Krankenhäuser.
"Deswegen brauchen wir die Krankenhausreform". Diese soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden und die Finanzierung der Kliniken im Land auf eine neue Grundlage stellen.
Ausgaben für Krankenhäuser und Medikamente steigen weiter
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums lagen die Ausgaben der Kassen im ersten Halbjahr bei 161,3 Milliarden Euro - ein Plus von 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen seien in den ersten sechs Monaten um 3,6 Milliarden Euro gestiegen und stellten damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar, hieß es im September vom Ministerium.
Außerdem seien die Ausgaben für Arzneimittel im ersten Halbjahr um 10 Prozent (2,5 Milliarden Euro) gestiegen.
Kassenbeiträge steigen, Steuern sinken
Nicht nur die Krankenkassenbeiträge steigen voraussichtlich an, auch die Pflegeversicherung hat Finanzprobleme. Wie kürzlich berichtet wurde, wird hier in der Regierung von einem Erhöhungsbedarf des Beitragssatzes von 0,25 bis 0,3 Punkten ausgegangen.
Auf der anderen Seite sind aber Entlastungen bei der Einkommensteuer geplant. Der sogenannte Grundfreibetrag - also der Teil des Einkommens, der nicht besteuert wird - steigt im kommenden Jahr. Um wie viel genau ist in der Regierung noch umstritten.
Titelfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa