Diagnose Krebs: So hilft man sich gegenseitig am Uniklinikum Dresden
Dresden - Diagnose Krebs. Die Krankheit bringt das Leben für Patienten und Betroffene gleichsam aus dem Tritt. Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) des Uniklinikums Dresden machen viele Engel das Leid erträglicher: Der neue Patientenbeirat ist Kummerkasten in der Not. Mit Sport-Therapeuten trainiert man gegen physische und mentale Tiefs an. Und ein findiger Konditor bäckt sogar spezielle zuckerfreie Leckereien für Krebspatienten.
Konditor der süßen Leichtigkeit
Sitzt ein Tumor im Bereich von Kopf und Hals oder in Folge einer Chemotherapie oder nach Bestrahlungen kann eine Dysphagie auftreten, eine Schluckstörung.
Patienten klagen darüber, dass sie Nahrung kaum noch herunterbekommen.
So wie Stefan Salzer (58) aus Thallwitz (bei Wurzen). Der Konditormeister musste wegen eines inoperablen Tumors in einer Nasennebenhöhle über dem Gaumen bestrahlt werden. Nebenwirkungen: Mundtrockenheit und Schluckbeschwerden.
Lebensmittel mit Körnern, Fasern, Krusten, Kernen und Schalen sowie trockene, krümelige, klebrige Kost waren tabu.
"Doch ich wollte nicht auf leckeren Kuchen verzichten", sagt Salzer und besann sich seiner Konditorkunst.
Stefan Salzer schreibt jetzt ein Backbuch
Er kreierte kurzerhand Rezepte für gut schluckbare Leckereien: "Ich habe zum Beispiel eine Quarktorte gekocht, bei der bis auf den Schoko-Biskuit-Boden nichts gebacken ist. Auf eine Bauerntorte kamen statt Äpfel ein Fruchtpudding aus Beeren, die gut bei Krebs sind. Brot wird schön feucht, wenn man auf Sauerteig verzichtet und Quark verwendet."
Und wie ist das mit dem Zucker in den Süßigkeiten, denn Krebspatienten sollen doch auf Kohlenhydrate verzichten?
Auch da hat der findige Konditor in der Küche experimentiert: "Für Plätzchen und Nusskekse habe ich den Zuckerersatzstoff Erythrit entdeckt - null Kohlenhydrate, null Kalorien." Den eher kühl-süßen Geschmack hat er zusätzlich durch Stevia verfeinert.
Seinen Tumor hat die Strahlentherapie übrigens zerstört. Die Rezept-Ideen ließ Meister Salzer auch in der Uniklinik verkosten. "Die kamen so gut an, dass ich jetzt ein Backbuch schreibe."
Außerdem hat sich die Uni-Zahnklinik für die zuckerfreien Naschereien interessiert, denn nach der Chemo leiden viele Patienten unter akuter Karies.
Der Patientenbeirat macht sich stark
Als vor 17 Jahren ein gutartiger Tumor am Knie diagnostiziert wurde, machte sich die gelernte Informatikerin Karin Arndt (66), die damals als Maklerin arbeitete, noch keine großen Sorgen.
Auch nicht, als ihr Orthopäde etwas Bösartiges in Betracht zog ... Erst nach der OP stand plötzlich fest: Der Tumor hatte sich als bösartig entpuppt.
"Statt in einem persönlichen Gespräch mit dem Arzt erhielt ich die neue Diagnose am Telefon. Das Vertrauensverhältnis war dahin, dabei ist es doch die Basis für eine erfolgreiche Heilung", erzählt Arndt.
Der Krebs hatte bereits Lymphknoten-Metastasen entwickelt.
"Noch schlimmer als die Diagnose war jedoch die Kündigung meines Arbeitgebers kurz darauf", berichtet die Dresdnerin.
Krebsdiagnose kam am Telefon
Sie recherchierte im Internet und kümmerte sich schließlich selbst um einen Spezialisten für das seltene Weichteil-Sarkom, das nicht auf Chemo und Bestrahlung anspricht.
Sie fuhr bis nach Düsseldorf und ließ sich in Essen operieren - insgesamt sechs Mal!
"Anfangs fragte ich mich, ob die mich dort überhaupt ernst nehmen - als Ossi und AOK-Patient?"
Damit anderen Patienten ähnliche schlechte Erfahrungen erspart bleiben, hat sie sich in den neu formierten Patientenbeirat des NCT an der Dresdner Uniklinik wählen lassen.
Patientenbeirat am NCT
"Krebspatienten sollen ihre Kraft nicht auch noch in Zweifel an Therapie und Ärzten stecken müssen. Gemeinsam miteinander reden hilft immer."
Dafür sind sie und ihre Beiratskollegen die Ansprechpartner - übrigens alle selbst Krebspatienten:
"Wir halten Kontakt zu Selbsthilfegruppen und empfehlen aus eigener Erfahrung, sich psycho-onkologische Hilfe einzuholen."
Arndt ist sich sicher: "Krebspatienten brauchen Forschung, damit sich Behandlungsqualität und Prognosen verbessern. Aber sie brauchen auch Fürsorge."
- www.krebscentrum.de
- www.nct-dresden.de
- Tel. 0351/4583371
Die Fitness-Ärztin: Mit Sport weniger Chemotherapie-Nebenwirkungen
Krebspatienten müssen sich schonen, dürfen sich bloß nicht anstrengen. Stimmt das? "Nein, das ist längst überholtes Wissen", weiß Dr. Sandra Weigmann-Faßbender (33) Co-Leiterin des Sporttherapeutischen Zentrums am Uniklinikum Dresden.
"Über 700 internationale Studien vor allem zu Brust-, Prostata- und Darmkrebs bestätigen, dass regelmäßige sportliche Aktivität die Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung mildern können."
So wie bei Jan Goldenbogen (38), bei dem im März Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert wurde und der gerade eine Chemotherapie erhält: "Anfangs war ich müde und antriebslos, habe mich nicht getraut, mich zu bewegen. Doch durch das Training ist die Chemotherapie jetzt fast nebenwirkungsfrei. Im Alltag fühle ich mich relativ fit."
Der Kraftsportler kann sogar seine drei Kinder regelmäßig zur Kita und Schule bringen und abholen.
Benefizlauf FortSCHRITT gegen Krebs im Großen Garten
Dr. Weigmann-Faßbender empfiehlt dreimal 30 Minuten moderates Ausdauertraining pro Woche, zweimal wöchentlich kräftigende Übungen und möglichst täglich Dehnung für die Hauptmuskulatur. "Es kommt vor allem darauf an, die großen Muskelgruppen an Arm, Bein und Rumpf zu stärken."
Dafür stehen den drei Sportwissenschaftlerinnen und zwei Physiotherapeuten ein Seilzug, ein Fahrrad-Ergometer und ein Gerät zum Training der Balancefähigkeit zur Verfügung. "Das kommt bei Patienten mit Polyneuropathie - Empfindungsstörungen in Händen und Füßen, die oft als Nebenwirkung der Chemotherapie auftreten - für ein koordinatives Training mit Gleichgewichtsübungen zum Einsatz."
Das Sporttherapeutische Zentrum gibt's seit September 2021, wird durch Spenden finanziert. "Wir wollen die Fläche jetzt für individuelles Ganzkörpertraining mit Beinpresse, Latzzuggerät und einem weiteren Ergometer erweitern", sagt die Co-Leiterin. Die speziell zertifizierten Sportgeräte kosten jedoch ab 10.000 Euro pro Stück. Geld für die Neuanschaffungen soll am 1. Juli beim Benefizlauf FortSCHRITT gegen Krebs im Großen Garten gesammelt werden.
Dabei kann jeder pro gelaufener Runde einen selbst gewählten Betrag spenden. Start: 17 Uhr an der Torwirtschaft. Auch Krebspatient Goldenbogen läuft übrigens mit: "Ich will vier Kilometer schaffen." Jeder Schritt zählt. Infos und Anmeldung: www.nct-dresden.de/lauf
Titelfoto: Montage: Ove Landgraf, Petra Hornig, Ralf Seegers