29-Jährige kämpfte mehrmals um ihr Leben: Jetzt macht sie anderen Mut!

Berlin - Erika Greilich aus Berlin hat in den letzten Jahren gesundheitlich mehr durchgemacht, als sich die meisten überhaupt vorstellen können. Wie sie die Stärke gefunden hat, diesen Kampf zu kämpfen und letztendlich zu gewinnen, hat sie TAG24 im Interview verraten.

Erika Greilich (29) lebt mit einem künstlichen Darmausgang.
Erika Greilich (29) lebt mit einem künstlichen Darmausgang.  © Foto von Anja Groß

Als die heute 29-Jährige 2013 für ihr Studium nach Berlin kam, war die Welt noch in Ordnung. Die leidenschaftliche Künstlerin lernte ihren Freund Marc kennen und ergatterte sogar einen Job in einer Galerie.

Nur ein Jahr später begann der Albtraum. Plötzlich bekam Erika blutige Durchfälle. Ihr erster Gedanke: "Ich habe Krebs!" Schließlich war ihre Oma bereits an Darmkrebs gestorben.

Ein bis zwei Wochen hielt sie es aus, dann ging sie zu Arzt. Wenige Tage später sollte ihr Enddarm gespiegelt werden - mit erschreckendem Ergebnis: "Er konnte nichts sehen, weil alles voller Blut war."

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Für Erika ging es daraufhin direkt zum nächsten Spezialisten, welcher ihren kompletten Darm spiegeln sollte. Die Diagnose: Colitis Ulcerosa, eine Entzündung des Darms, neben Morbus Crohn die häufigste Darmkrankheit.

Für Erika eine große Erleichterung: "Ich habe kein Problem damit, irgendwelche Krankheiten zu haben. Hauptsache, ich kann etwas tun!" Die Medikamente schienen zu wirken, zumindest in den ersten drei Monaten. Dann kehrten die Durchfälle zurück. Der behandelnde Arzt schickte sie zur Berliner Charité.

Hier griff man zu härteren Maßnahmen, verabreichte ihr Biologika, Medikamente, die für die Behandlung von mittelschweren bis schweren Krankheitsverläufen zugelassen sind.

Alles begann, als die Wahl-Berlinerin im Jahr 2014 plötzlich blutigen Durchfall bekam.
Alles begann, als die Wahl-Berlinerin im Jahr 2014 plötzlich blutigen Durchfall bekam.  © Instagram/eri.in.berlin

Wieder kehrte für etwa drei Monate etwas Ruhe ein. "Dann ist mein Immunsystem komplett zusammengebrochen", erinnert sie sich. Also setzten die Ärzte ein noch stärkeres Biologikum ein. Die Folge: Erika verlor Haare, bekam Wunden im Mund und Beulen am Körper.

Von da an hieß es nur noch ausharren, bis die Medikamente anschlagen. Warten passte jedoch nicht in Erikas Zeitplan. Um ihre wichtige Vernissage nicht zu verpassen, entließ sie sich gegen Empfehlung der Ärzte selbst. Ein paar Tage später saß Erika wieder in der Notaufnahme.

Zahlreiche Untersuchungen später wurde es richtig ernst: "So eine ganz süße kleine Ärztin kam rein, setzte sich an mein Bett, nahm meine Hand und sagte: 'Frau Greilich, wir müssen Sie heute Nacht operieren, sonst sterben Sie.'"

"Danach hab' ich meine Familie und meine Freunde angerufen und ihnen gesagt, dass ich sie liebe, weil ich nicht wusste, ob ich die nächste Nacht überlebe", berichtet Erika von einem der wohl schlimmsten Tage ihres Lebens. Ihre Eltern leben im Hunderte Kilometer entfernten Allgäu und konnten ihrer Tochter nicht beistehen. Ihr Freund und dessen Mutter wichen jedoch nicht von ihrer Seite. "Ich glaube, ich hätte das alles nicht geschafft, wenn ich nicht so ein großartiges Umfeld gehabt hätte", sagt sie heute.

Was auch geschah, von ihrer Leidenschaft, dem Malen, ließ sich Erika nie abbringen.
Was auch geschah, von ihrer Leidenschaft, dem Malen, ließ sich Erika nie abbringen.  © Instagram/eri.in.berlin

In der darauffolgenden Operation im Oktober 2016 wurde Erikas Dickdarm - circa 1,5 Kilogramm Organ - fast vollständig entfernt und sie bekam einen künstlichen Darmausgang. Ausscheidungen gelangen so vom Dünndarm über eine Öffnung an der Bauchdecke in einen daran angebrachten Beutel.

In Erikas Fall handelte es sich eigentlich um eine Art Übergangslösung, für eine mögliche Rückverlegung wurden 15 Zentimeter des Enddarms im Körper zurückgelassen.

Für die Wahl-Berlinerin war dies jedoch keine Option. "Eine Rückverlegung ist kein Garant, dass Du weniger Stuhlgänge hast. Das kann auch bedeuten, dass Du 13 pro Tag hast. Das ist vielleicht halb so viel, wie ich vorher hatte, aber trotzdem extrem einschränkend."

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Immer wieder forderten die Ärzte sie auf, noch einmal darüber nachzudenken. "Dann habe ich erstmal diskutiert, bis ich geweint habe. Ich habe immer wieder erklärt, dass ich das nicht möchte und dass ich das auch in 50 Jahren nicht bereuen werde. Mein Freund denkt sich auch nichts dabei, der freut sich, dass er mit mir rausgehen kann, auch wenn ich einen Kackbeutel am Bauch hab'", stellt sie klar.

Sie fasste einen Entschluss: "Mir wurde auf meinen eigenen Wunsch hin mein Rektum entfernt und mein Popo zugenäht." Doch die OP im Sommer 2017 verlief alles andere als reibungslos: "Ich hatte offensichtlich eine riesige Eiteransammlung, die von außen nicht sichtbar war. Das Ding ist dann geplatzt, die Ärzte mussten mehrfach spülen und ich war wieder kurz vorm Ableben, weil ich kurz vor der Blutvergiftung stand."

Im Sommer 2017 ließ sich die heute 29-Jährige auf eigenen Wunsch das Rektum entfernen.
Im Sommer 2017 ließ sich die heute 29-Jährige auf eigenen Wunsch das Rektum entfernen.  © Instagram/eri.in.berlin

Auch in dieser Zeit erfuhr Erika große Unterstützung aus ihrem Umfeld: "Ich habe eine Freundin, die hat mich nach meiner Rektum-OP gewaschen. Ich saß quasi nackt und dürr vor ihr und sie hat mir den Rücken geschrubbt im Krankenhaus, einfach weil ich selbst nicht mehr konnte."

"Ich habe einfach wundervolle Menschen um mich, sei es mein Partner oder all meine Freunde", freut sie sich. "Ich würde sogar sagen, dass ich all diese Freunde erst durch die Erkrankung gewonnen habe. Ich kannte sie natürlich alle schon vorher, aber auf einmal waren sie wirklich da."

Nach der Entfernung ihrer Gallenblase im November 2017 begann der nächste Kampf. Nur eine Woche nach der OP bekam Erika plötzlich wieder heftige Schmerzen. Doch trotz zahlreicher Untersuchungen konnten die Ärzte nichts finden, stattdessen vermutete man eine psychische Ursache.

Damit konnte und wollte sie sich jedoch nicht abfinden, im Gegenteil: "Manche entscheiden sich wahrscheinlich dafür zu jammern und ich habe für mich in dem Moment den Kampf gewählt."

Am Ende war es Erika selbst, die über Recherche im Internet auf die Ursache ihrer Schmerzen kam: "Ich hab' einem Arzt gesteckt, dass es doch vielleicht Endometriose sein könnte." Am nächsten Tag sei ein weiterer Mediziner zu ihr gekommen und habe den Verdacht bestätigt. Das war im Oktober diesen Jahres.

Mit ihrem Stoma geht Erika offen um. Sie sieht es gar nicht ein, den Beutel an ihrem Bauch zu verstecken.
Mit ihrem Stoma geht Erika offen um. Sie sieht es gar nicht ein, den Beutel an ihrem Bauch zu verstecken.  © Instagram/eri.in.berlin

Laut Expertenschätzungen erkranken jährlich etwa 40.000 Frauen in Deutschland an der Krankheit, bei der sich Gebärmutterschleimhautszellen außerhalb der Gebärmutterhülle bilden und die Eierstöcke, den Eileiter, die Gebärmutter, die Harnblase, den Darm und das Bauchfell besiedeln.

Man geht davon aus, dass die Zellen dann bluten und Entzündungen hervorrufen. Dadurch entstehen Vernarbungen. Diese Verwachsungen führen dazu, dass die angrenzenden Organe beschädigt werden.

Die Frauen leiden unter fürchterlichen Schmerzen, doch die Krankheit bleibt oft unentdeckt, weil die Beschwerden mit "normalen" Nebenerscheinungen der Regel erklärt werden. Auch prominente Frauen wie Lilly Becker und Kader Loth sprachen bereits öffentlich über ihre Diagnose.

"Endometriose ist ein echtes Problem! Es ist nicht normal PMS zu haben und es ist auch nicht normal so starke Schmerzen zu haben. Das heißt, irgendetwas stimmt einfach nicht. Deswegen würde ich auch jeder Frau empfehlen, das untersuchen zu lassen. Vor allem, weil es einer der häufigsten Gründe ist, aus denen Frauen unfruchtbar werden", appelliert Erika an die Frauenwelt. Nach nur drei Stunden OP war sie selbst von ihrem Leid befreit.

Nach ihrer letzten OP im Oktober kann Erika nun endlich in den Alltag zurückkehren. Anfang des Monats war sie sogar für ein paar Stunden in einem Berliner Club unterwegs.
Nach ihrer letzten OP im Oktober kann Erika nun endlich in den Alltag zurückkehren. Anfang des Monats war sie sogar für ein paar Stunden in einem Berliner Club unterwegs.  © Instagram/eri.in.berlin

Heute kann sie sich nach jahrelangem Kampf um ihre Gesundheit endlich wieder an einen normalen Alltag herantasten und möchte endlich ihr Studium beenden.

Da besonders das Thema Ernährung in ihrem Leben eine große Rolle spielt, hat sich Erika Hilfe geholt. Die bekam sie von der Ernährungsberatungs-App Cara Care. "Meine Ernährungsexpertin Cora war einfach so liebevoll. Ich war ständig in Kontakt mit ihr. Ich konnte sogar bei den banalsten Dingen nachfragen", schwärmt Erika.

Wenn man die junge Frau heute so anschaut, dann erinnern tatsächlich nur noch ein paar kleine Narben und der Beutel an ihrem Bauch daran, was sie in den vergangenen Jahren alles durchmachen musste.

Kein Wunder also, dass sie diesen auf keinen Fall verstecken möchte. "Ich finde sogar, man macht sich das Leben leichter, wenn man offen darüber redet, weil die Leute dann Rücksicht nehmen. Und die sollen auch verdammt nochmal Rücksicht nehmen, weil sie diese Bürde nicht haben!", macht sie deutlich. "Ich bin der Meinung: Du bist gesund, Du musst nicht in meinem Körper leben. Dann musst Du wenigstens ertragen, meinen Beutel am Bauch zu sehen."

Außerdem appelliert sie an alle Menschen, die ihr Schicksal teilen, sich jedoch nicht trauen, so offen damit umzugehen: "Zeig Dich, sei so mutig! Du bist schon mutig, weil Du Dich dieser Herausforderung stellst." Und darauf kann man auch wirklich wahnsinnig stolz sein!

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