Corona geht zu Herzen! Rückstand bei der Vorsorge
Leipzig - Wenn die letzte Corona-Welle verebbt ist, könnte die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich ansteigen. Viele Sachsen schwänzten in der Pandemie ihre Vorsorgeuntersuchung, die Zahl der Herz-Behandlungen brach ein. Prof. Dr. Holger Thiele (53), Kardiologie-Chef am Herzzentrum Leipzig, befürchtet einen "Nachhol-Effekt".
"Viele Menschen sind aus Angst davor, sich mit Corona zu infizieren, nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus gegangen", sagt Thiele.
Der Beweis seien die bisherigen Sterbe- und Krankenhaus-Statistiken. So starben im ersten Pandemie-Jahr 2020 im Freistaat 62.092 Menschen - rund 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugleich gab es 11,2 Prozent weniger vollstationäre Krankenhaus-Patienten. Nicht behandelte Herz-Kreislauf-Erkrankungen könnten laut Thiele erst nach der Pandemie ans Licht kommen.
Die These wird untermauert von der AOK Plus, die auf TAG24-Anfrage entsprechende Daten auswertete. Die Krankenkasse registrierte ab Beginn der Corona-Pandemie sachsenweit deutlich weniger Herzinfarkt-Behandlungen.
Im Vergleich zu 2019 sank die Zahl in der ersten Welle von März bis Mai 2020 um 17 Prozent, in den Wellen von Oktober 2020 bis Mai 2021 um zwölf Prozent. AOK Plus-Vorstand Rainer Striebel (59) bezeichnet das als "besorgniserregend".
Gefahr fürs Herz durch Corona viel größer
Die Sachsen mieden außerdem die Vorsorgeuntersuchung. Laut der Barmer-Krankenkasse gingen im ersten Halbjahr 2019 noch rund 320.500 Sachsen zum "Gesundheits-Check-up". Im ersten Halbjahr 2020 waren es nur noch 151.370 - weniger als die Hälfte.
Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 255.140 - das sind immer noch deutlich weniger als vor Corona.
Eine weitere Sorge treibt Prof. Dr. Holger Thiele um: das kursierende Gerücht, wonach die Impfung vermehrt zu Herzmuskelentzündungen führe. Dabei sei Covid-19 deutlich gefährlicher fürs Herz: "Studien aus Israel zeigen, dass zwölf von 100.000 Covid-Patienten eine Herzmuskelentzündung bekommen."
Bei der Impfung hingegen trete sie nur in 2,7 von 100.000 Fällen auf.
Titelfoto: dpa/Waltraud Grubitzsch