"Blaues Wunder": Wie die Potenzpille Viagra zufällig entdeckt wurde
Leipzig - Als "blaues Wunder" kam Viagra vor 25 Jahren in Deutschland auf den Markt. Am 1. Oktober 1998 wurde die Potenzpille erstmals in Apotheken verkauft. Das Mittel entwickelte sich schnell zum Lifestylemedikament. Als erste Potenzpille der Welt brachte Viagra wieder Schwung in viele Schlafzimmer und holte zugleich das Thema Erektionsstörungen ein Stück weit aus der Tabuzone.
Zufällige Entdeckung
Anfang der 90er-Jahre experimentierten Mitarbeiter des US-Pharmaherstellers Pfizer mit einem neuen Medikament gegen Angina pectoris. Der Wirkstoff Sildenafil konnte nichts gegen Schmerzen in der Herzgegend ausrichten. Doch bei Männern zeigte er unerwartete Nebenwirkungen - er verursachte eine Erektion. Zudem berichtete die Mehrheit der männlichen Freiwilligen in den Experimenten von einem deutlich verbesserten Sexualleben.
Pfizer änderte daraufhin den Kurs und konzentrierte sich auf die Erforschung männlicher Impotenz. Bis dahin gab es nur wenige, meist erfolglose Behandlungsmöglichkeiten für Erektionsstörungen, etwa in die Harnröhre eingeführte Minizäpfchen oder Injektionen in den Penis.
Der Viagra-Wirkstoff
Sildenafil ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der sogenannten Phosphodiesterasehemmer, auch PDE-5-Hemmer genannt. Sie sind die am meisten eingesetzten Medikamente bei erektiler Dysfunktion, also Erektionsstörungen.
Seit der Patentschutz für die Potenzpille Viagra des Herstellers Pfizer in Deutschland im Jahr 2013 auslief, ist eine Reihe günstigerer Nachahmerpräparate auf dem Markt. Die bekanntesten Wirkstoffe neben Sildenafil sind Tadalafil, Vardenafil und Avanafil, die alle als Tablette verabreicht werden.
Wirkungen und Nebenwirkungen
Seit gut einem Vierteljahrhundert gibt es Erkenntnisse über die Wirkung von Viagra und Co. - und auch über Nebenwirkungen. Dazu gehören insbesondere Kopf- und Magenschmerzen, Gesichtsrötungen, eine verstopfte Nase und Sehstörungen.
Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten weist zudem darauf hin, dass die Substanzen bei schweren Herzkreislauferkrankungen, direkt nach einem Herzinfarkt oder einem weniger als sechs Monate zurückliegendem Schlaganfall sowie starken Leberfunktionsstörungen nicht eingenommen werden dürfen.
Das gilt ebenso bei Einnahme von Nitraten, einem Notfallmedikament bei Angina pectoris, und bestimmten anderen blutdrucksenkenden Substanzen.
Außerdem ist eine Reihe von Erkrankungen bekannt, bei denen die Anwendung Beschränkungen unterliegt. Hierzu gehören schwere Nierenfunktionsstörungen, Blutgerinnungsstörungen sowie einige Peniserkrankungen und -fehlbildungen.
Viagra und Co. nicht ohne Rezept
Wie Viagra sind auch die sogenannten Generika in Deutschland verschreibungspflichtig - nötig ist zwingend ein Rezept vom Arzt. Nicht mehr verschreibungspflichtig ist Sildenafil inzwischen unter anderem in Großbritannien, Polen, Norwegen und Neuseeland, teils ist eine Beratung durch den Apotheker Voraussetzung.
Auch in Deutschland wurde zweimal der Vorstoß unternommen, die Verschreibungspflicht zu kippen. Ein Sachverständigenausschuss beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte jedoch im vergangenen Jahr und zuletzt im Juli entsprechende Anträge ab. Damit bleibt ein Rezept vom Arzt zwingend nötig. Die Kosten für das Präparat müssen die Patienten aus eigener Tasche zahlen.
Fälschungen und Kriminalität
Viagra ist eines der am meisten gefälschten Arzneimittel. Schon kurz nach der Markteinführung tauchten gefälschte Viagra-Pillen auf, meist werden sie online angeboten. Allerdings sind die falschen Arzneien oft nicht richtig dosiert oder - im besten Fall - wirkungslos.
Die Gewinnspanne bei der Arzneimittelkriminalität ist sehr groß. Der Schwarzmarktpreis von Viagra liegt weit über dem von illegalen Drogen. Das Bundeskriminalamt ging 2017 in einer Analyse davon aus, dass sich mit einem Kilogramm Viagra auf dem Schwarzmarkt bis zu hunderttausend Euro erzielen lassen - bei Kokain sind es 65.000 Euro.
Titelfoto: Christophe Gateau/dpa