Medikamenten-Skandal! Schwangere bekommen gefährliche Tabletten zur Geburtseinleitung, Babys gestorben
Berlin - In Deutschland nutzen Geburtsmediziner zur Einleitung der Wehen Medienberichten zufolge ein Medikament, das in der Geburtshilfe nicht zugelassen ist.
Das könne in Einzelfällen zu schweren Komplikationen bei Mutter und Kind führen - bis hin zum Tod von Babys, berichten die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und der Bayerische Rundfunk (BR).
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass Risiken bekannt sind, wenn das Medikament Cytotec außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs verordnet werde.
Die Anwendung werde aber unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiter empfohlen.
Cytotec ist in Deutschland als Magenmedikament zugelassen.
Im Rahmen ihrer Therapiefreiheit können Ärzte die Pille aber auch als Wehenauslöser einsetzen, wenn ihnen dies angemessen erscheint und eine Schwangere vorher zugestimmt hat.
Den Medienberichten zufolge verwendet laut einer bisher unveröffentlichten Umfrage der Universität Lübeck rund die Hälfte der deutschen Kliniken Cytotec.
In Einzelfällen seien nach der Gabe schwere Gehirnschäden wegen einer Sauerstoffunterversorgung des Kindes aufgetreten. In seltenen Fällen sei die Gebärmutter der Frauen gerissen. Mehrere Babys in Deutschland und Frankreich seien laut Gutachten, Fallberichten und Gerichtsurteilen gestorben.
Behörde kann Einsatz des Mittels nicht verbieten
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bevorzuge eindeutig den Einsatz von zugelassenen Arzneimitteln gemäß der jeweiligen Zulassungsbedingungen, sagte Sprecher Maik Pommer der Deutschen Presse-Agentur. Denn dafür lägen Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit vor.
Bei anderen Anwendungen sei das häufig nicht der Fall. Die Behörde kann den Einsatz des Mittels in der Geburtsmedizin wegen der Therapiefreiheit der Ärzte aber nicht verbieten.
Neu sind die Zweifel an Cytotec nicht. Auf europäischer Ebene wurde unter Beteiligung des BfArM eine Aktualisierung der Fachinformationen empfohlen.
Während eines Bewertungsverfahrens wurde mehrfach über einen Gebärmutterriss berichtet, der in allen Fällen bei Anwendungen außerhalb der Zulassung auftrat.
Laut SZ und BR warnt die US-Arzneimittelbehörde FDA seit Jahren vor der Verwendung der Tabletten zur Einleitung der Wehen, weil es zu Todesfällen kam.
Cytotec: Billige Alternative
Dem BfArM lagen bis Ende Oktober 2019 insgesamt 74 Verdachtsmeldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen in Zusammenhang mit Cytotec bei der Geburtseinleitung vor, sagte Pommer. Darunter sei ein Todesfall: Ein Neugeborenes sei vier Tage nach der Geburt durch eine Lungenblutung gestorben. Die Mutter hatte Cytotec und ein weiteres Präparat (Misodel) zur Geburtseinleitung erhalten.
Für Angehörige der Heilberufe ist bei solchen Todesfällen allerdings keine Meldepflicht nach den Regelungen des Arzneimittelgesetzes vorgesehen. Die Zahlen könnten also auch höher liegen als es dem BfArM bekannt ist. Nach Angaben der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gibt es Alternativen zu Cytotec.
Doch Cytotec ist nicht nur bei der Geburtseinleitung wirksam. Das Medikament ist laut BR auch sehr billig: "Die Tablette kostet nicht einmal einen Euro, wohingegen zugelassene, alternative Medikamente mitunter im dreistelligen Bereich liegen."
Über das Thema berichtete auch "report München" am Dienstag. Der Beitrag ist >>> hier in der ARD Mediathek zu sehen.
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