Pilot berichtet von Skandal-Arbeitszeiten: "Bin während des Sinkflugs eingeschlafen"
Doha (Katar) - Angestellte werden entlassen, aber mehr Urlaubsorte angeflogen: Für die Piloten (und Passagiere) der Golfairline Qatar bringt das gefährliche Situationen mit sich.
Im Zuge der Corona-Pandemie wurden weltweit viele Flugverbindungen gestrichen. Bei der Airline Qatar wurden deshalb 2020 erst rund 20 Prozent der Angestellten entlassen. 2021 dann noch einmal etwa 27 Prozent. Die Anzahl der angeflogenen Ziele stieg allerdings von 35 (2020) auf 140 (2021). Für die verbliebenen Piloten hat das spürbare Folgen.
Gegenüber der Thomson Reuters Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung der Nachrichtenagentur Reuters, berichtet einer jetzt anonym, was sein heftigster Vorfall war: "Ich bin während des Sinkflugs mit 400 Passagieren an Bord eingeschlafen", erinnert sich der Pilot, der in der Recherche Erik genannt wird.
Er landete die Maschine nach seiner 20-Stunden-Tour dennoch ohne Zwischenfall am Flughafen von Doha, der Hauptstadt Katars.
Doch er schildert weitere schreckliche Erscheinungen in Zusammenhang mit der aktuellen Mehrbelastung. "Man kann nichts tun. Dein Körper schreit nur nach Ruhe", so Erik weiter. "Du spürst den Schmerz in Deiner Brust und kannst Deine Augen nicht offen halten."
Sechs Kollegen und der Flugzeugpilot selbst erklären gegenüber der Reuters-Stiftung, dass die Airline-Chefs ihre Beschwerden über die extremen Arbeitszeiten oft ignorieren würden.
Von den acht sogenannten Müdigkeitsanträgen eines Betroffenen wurden drei komplett abgelehnt. Ein weiterer brachte ihm zwar 24 Stunde Pause ein, danach ging es aber wieder auf eine 23-Stunden-Tour.
Piloten wollen sich nicht beschweren - es droht die Kündigung
Angeblich würden die Ruhezeiten, die die Piloten an Bord nach internationalen Standards einhalten müssen, von der Fluggesellschaft nicht mehr als Arbeitszeit gerechnet werden.
Technisch halte sich Qatar Airways dem Bericht nach an die Regularien. Üblich sei dieses Vorgehen jedoch nicht. Andere Airlines rechnen auch diese Ruhephasen als Arbeitszeit, da sich die Piloten an Bord, sogar im Cockpit, befinden.
Die Flugkapitäne seien der Thomson Reuters Foundation zufolge in Bereitschaft, doch die Airline rechnet es schlichtweg nicht mit ein. So sind viele Arbeitskräfte wie Erik für viele Stunden auf den Routen unterwegs und könnten nie richtig schlafen.
Ein Unternehmenssprecher erklärte der Stiftung auf Anfrage lediglich, dass das Unternehmen mit den Mitarbeitern zusammenarbeite, "um sicherzustellen, dass die Ruhezeit und die Dienstplananforderungen unseres Flight-Crew-Teams streng mit den betrieblichen Anforderungen der Fluggesellschaft in Einklang gebracht werden, insbesondere angesichts der einzigartigen Herausforderungen, vor denen der globale kommerzielle Luftfahrtsektor steht".
Die Airline wolle zudem "das strengste Ermüdungsrisikomanagementprogramm" überhaupt einführen. Doch bis es so weit ist, leidet Erik weiter: "Ich bin manchmal so müde, dass ich mich krank oder betrunken fühle." An offizieller Stelle, etwa der Flugsicherung im Golfstaat, will er sich nicht beschweren - aus Angst vor der Kündigung.
Titelfoto: 123RF/khunaspix