Prads-Haute-Bléone (Frankreich) - Als Ursache des Absturzes der Germanwings-Maschine vor zehn Jahren wurde schnell Co-Pilot Andreas Lubitz (†27) präsentiert, der schon 49 Stunden nach der Katastrophe zum psychisch kranken Massenmörder gemacht wurde. Zu Unrecht?

Flugsicherheitsexperte Simon Hradecky habe anonym von einem Defekt der Cockpittür erfahren, der demnach in den Aufzeichnungen der Mängel der Maschine eingetragen war. Das berichtet er in der neuen Sky-Doku "Germanwings - Was geschah an Bord von Flug 9525".
Später teilte der Anrufer mit, dass jener Eintrag wieder verschwunden sei. Er habe ein Beweisfoto gemacht, wolle dies aber nicht weiterleiten, da er um seinen Job und gar um sein Leben fürchte.
Dass schon 49 Stunden nach dem Aufprall eine Pressekonferenz abgehalten wurde, in der der französische Staatsanwalt als plausibelste und wahrscheinlichste Interpretation einen erweiterten Suizid von Lubitz, dessen Namen er sogar buchstabierte, veröffentlichte, schlug ein wie eine Bombe.
Die Aufklärung von Flugzeugkatastrophen dauere sonst Wochen, wenn nicht gar Monate, weiß Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth.
Germanwings-Absturz: "Andreas, mach die verdammte Tür auf!"

Laut Überzeugung der Behörden hat Pilot Patrick Sondenheimer (†34) das Cockpit auf dem Flug nach Düsseldorf verlassen. Wenig später ist auf dem Voice Recorder ein Summen der Türöffnung zu hören, dem aber keine Reaktion des Co-Piloten folgt, der die Tür von innen entriegeln müsste. Klopfgeräusche, die zu intensivem Hämmern werden, seien ebenso wahrzunehmen wie die Worte: "Andreas, mach die verdammte Tür auf." Das bestätigen Hinterbliebene in der Doku, denen dies vorgespielt wurde.
Zu dem Szenario des Massenmörders Andreas Lubitz passen laut Auffassung einiger Flugexperten auch das mehrfache Ändern der Flughöhe auf dem Hinflug - ebenfalls in Sondenheimers Abwesenheit. Die lange Ärzteliste des Co-Piloten, der zwei Wochen vor der Katastrophe über Schlaflosigkeit geklagt haben soll und seine Angst, den Job wegen einer angeblichen Sehschwäche zu verlieren, hätten ihm zu diesem Schritt bewogen.
Aber: Laut des Lufthansa-Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr sei Lubitz "zu 100 Prozent flugtauglich ohne jegliche Einschränkung und ohne jegliche Auflagen" gewesen.
Den letzten Sinkflug von Germanwings 9525 "konnte nur ein technischer Defekt ausgelöst haben"
Laut Hradecky wird auch eine Bewusstlosigkeit von Andreas Lubitz noch immer als Möglichkeit betrachtet.
Und: Gutachter Tim van Beveren habe einen Hinweis bekommen, dass sich eine Crew in diesem Flugzeug schon einmal ausgesperrt habe und die Tür auch nach Eingabe des Notfallcodes nicht öffnen konnte. Konkret solle die Taste 2 - Bestandteil des Notfallcodes - defekt gewesen sein.
Simon Hradecky kommt zum Schluss: "Wenn der Mensch im Cockpit nicht handlungsfähig war und niemand aufgrund der defekten Tastatur ins Cockpit gelangen konnte, konnte nur ein technischer Defekt den letzten Sinkflug ausgelöst haben."
Buchautor Patrick Huber ist anderer Meinung. Ihm zufolge werden "fragwürdige Theorien und völlig unplausible Schlussfolgerungen" verbreitet, wie er in einem Kommentar auf austrianwings.info schreibt. Die Ausführungen seien "nichts anderes als Verschwörungstheorien". Er habe mit Piloten, Technikern und Juristen gesprochen: "Alle haben den Kopf geschüttelt."
Auch zehn Jahre nach der Katastrophe mit 150 Toten bleiben viele Fragen offen - vielleicht für immer.
Trailer zur Sky-Doku "Germanwings - Was geschah an Bord von Flug 9525?"
Die dreiteilige Doku "Germanwings - Was geschah an Bord von Flug 9525?" ist ab 14. März exklusiv bei Sky und auf dem Streamingdienst WOW zu sehen.