Schönste Kirche der Oberlausitz vom Feuer vernichtet: Dann läuteten die Glocken ein letztes Mal ...
Großröhrsdorf - Der Schock sitzt tief im sächsischen Großröhrsdorf (9600 Einwohner, bei Radeberg): Donnerstagnacht ging plötzlich die ehrwürdige Stadtkirche (geweiht 1736) in Flammen auf. Trotz eines Großeinsatzes der Feuerwehr konnte das Gotteshaus nicht mehr gerettet werden.
Die Stadtkirche galt als eine der schönsten Barockkirchen der Oberlausitz.
Erst vor rund zehn Jahren war das Gotteshaus innen und außen umfassend saniert worden. Jetzt ist die einst so prächtige Kirche nur noch eine qualmende Ruine.
Selbst der hölzerne Hochaltar von 1745 wurde vernichtet, ebenso eine Madonna aus dem 15. Jahrhundert.
Selbst wer kein Mitglied der Gemeinde war, konnte den Verlust am Freitag kaum fassen: "Zu Weihnachtsfeiern und zur Christenlehre war ich hier", sagte Anwohner Peter Orlik (66). "Als Kinder haben wir vom Rodelberg immer auf die Turmuhr gesehen."
Diese steht nun bei kurz vor Dreiviertel Drei. Der Brand brach aber eher aus ...
108 Kameraden waren im Einsatz
"Ich bin durch einen lauten Knall wach geworden", sagte Bürgermeister Stefan Schneider (46, parteilos).
"Ab um drei war ich dann selber hier und musste zugucken, wie unsere Kirche stirbt. Das fasst einen schon an. Die Gefahrenabwehr wird uns noch eine Weile beschäftigen, dann wird es an das Thema Wiederaufbau gehen. Das wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
Auch für die Feuerwehr war es kein leichter Einsatz: "Das ist schon traurig für die Stadt", sagt Einsatzleiter Daniel Heinrich (46). "Wir wurden 2.22 Uhr alarmiert, da stand bereits der Dachstuhl in Vollbrand."
Bis zu 108 Kameraden kamen zum Einsatz, versuchten erst vom Friedhof aus zu löschen. Doch gegen 2.45 Uhr griffen die Flammen auch auf den Glockenturm über.
Dann läuteten die Glocken zum letzten Mal
"Während er brannte, haben die Glocken noch einmal geläutet", so der Feuerwehrmann. "Wir haben dann von allen Seiten einen Außenangriff gefahren."
Trotzdem brach die Decke komplett in sich zusammen, auch der Turm ist einsturzgefährdet, Glocken fielen herab, verkeilten sich. Am Freitag standen nur noch die Grundmauern des Gotteshauses.
Auch der Pfarrer eilte mitten in der Nacht zum Brandort. "Ich bin mit meiner Frau hin und sah die brennende Kirche. Ich dachte 'Herr, erbarme dich'", sagte Stefan Schwarzenberg (59), Kopf der 1400 Mitglieder zählenden Gemeinde.
"Ich weiß nicht, wie es weitergeht, aber ich vertraue auf Gott." Schwarzenberg ist seit 2006 Pfarrer in Großröhrsdorf, hat in der Kirche seine eigene Tochter verheiratet. "Aus der Sakristei konnten wir noch ein Kreuz, eine Truhe und zwei Kerzen retten."
Gottesdienste finden nun vorerst im Gemeindehaus statt, die Polizei ermittelt zur Brandursache.
Sachsens Landesbischof: "Den Schock verarbeiten"
Die Stadtkirche Großröhrsdorf besaß nicht nur in der Stadt eine Berühmtheit, sondern war überregional bekannt: In den Jahren 1731 bis 1736 erbaut, zählte sie schon früh zu den schönsten Barockkirchen im Land.
Erst 2017 wurde das Gotteshaus umfangreich saniert, zu Gottesdiensten erscheinen regelmäßig zwischen 60 und 70 Mitglieder.
"Man hat erst mal den Schock zu verarbeiten", sagte Landesbischof Tobias Bilz (59), der sich am Freitag die Katastrophe selbst ansah.
"Ich spüre großen Schmerz, aber auch Kraft. Es findet sich zu dem Schrecken auch Hoffnung. Das bleibt nicht so."
Die Gemeinde hat noch am Freitag ein Spendenkonto eingerichtet: kirche-grossroehrsdorf.de.
Titelfoto: Montage: privat, Steffen Füssel