"Hey, geiler Arsch!" Sollte "Catcalling" in Öffentlichkeit Straftat werden?
Leipzig/Halle - Unter einem "Catcall" (zu Deutsch: Pfiff) verstehen manche ein Kompliment auf offener Straße - für andere wiederum ist es sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Ob diese strafbar gemacht werden kann, wird aktuell geprüft. Das Doku-Format "MRD exactly" hat darüber berichtet.
Das MDR-Team besuchte unter anderem das Team von "Catcalls of Halle", eine Initiative, die sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum durch Niederschriften in Kreide sichtbar machen will.
In den letzten beiden Jahren sind bei dem Team 205 "Catcalls" eingegangen, darunter übergriffiges Rufen und Sprüche bis hin zu Verfolgung und körperlicher Gewalt.
"Ich fuhr hier auf dem Fahrrad entlang, da schrie mir ein Typ hinterher 'Hey, geiler Arsch!' Ich drehte mich um und schaute ihn an und er war so 'Hä? Ich meinte nicht dich' und ich habe gerufen, dass er bitte seinen Mund halten soll, nett ausgedrückt", berichtete Ella von "Catcalls of Halle" und schrieb ihre unangenehme Begegnung in Kreide mitten auf den Marktplatz in Halle - dort, wo sich der Vorfall auch zugetragen hatte.
"Das wäre cool, wenn derjenige jetzt hier lang laufen würde und es ihn vielleicht zum Nachdenken anregt. Bei mir ist es nach dem Ankreiden zumindest aus dem Kopf und dem System raus, das ist ein schönes Gefühl", so Ella.
Petition für Straftatbestand von "Catcalling" liegt dem Bundestag vor
Bei vielen Menschen, vor allem der jüngeren Generation, trifft das Projekt einen Nerv - bei anderen nur auf Unverständnis.
"Manche finden das okay und fühlen es als Kompliment, andere sind verunsichert und bekommen Angst. Aber es ist ein Unterschied, ob ich jemanden anspreche, Blickkontakt und ein freundliches Gesicht zeige und dann ein Kompliment gebe - oder wenn ich schon an jemandem vorbeigegangen bin und derjenige mir dann einen ekligen Spruch drückt. Das hat ein unterschiedliches Machtverhältnis und ist nicht okay", erklärte Tina von "Catcalls of Halle".
Laut einer Studie der Hochschule Merseburg haben bislang 89 Prozent der befragten Frauen, 88 Prozent der Angehörigen diverser Geschlechter und 29 Prozent der befragten Männer die Erfahrung von verbaler, sexueller Belästigung gemacht.
Strafrechtlich kann "Catcalling" bislang nicht belangt werden - das Gesetz greift erst bei einer direkten Beleidigung oder bei einer sexuellen Belästigung mit Körperkontakt. In anderen Ländern wie Portugal, Spanien oder Belgien werden Pfiffe und Sprüche bereits als Ordnungswidrigkeit bis hin zur Straftat geahndet.
Das könnte sich bald ändern - dem Bundestag liegt bereits eine entsprechende Petition vor und auch der Verband deutscher Juristinnen hat 2021 einen Vorschlag verfasst, wie man eine Rechtsprechung dahingehend formulieren könnte.
Wie das genau aussehen könnte und was der Skandal mit Till Lindemann (60) von Rammstein damit zu tun hat, erfahrt Ihr und er kompletten Doku auf YouTube oder der MDR-Mediathek.
Titelfoto: 123RF/progressman