Domina über ihren Alltag: Kunde will zwei Stunden lang Tiger spielen

Von Steffen Hafenmayer

Berlin - Lady Susan hat ihren Traumjob gefunden: Sie arbeitet in Berlin als Domina. Ein Gespräch über berufliche Selbstverwirklichung, gesellschaftliche Ausgrenzung und die Auswirkungen der Pandemie.

Lady Susan liebt ihren Beruf.
Lady Susan liebt ihren Beruf.  © Studio S

Das Ladengeschäft im Berliner Stadtteil Wedding wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Das Klingelschild verrät nicht viel: "Studio S" steht da handgeschrieben auf einem kleinen Papierzettel – aber das kann ja alles bedeuten. Auch die schweren Vorhänge an den Fenstern erlauben keinen Blick ins Innere. Kein Wunder: Alles, was hier passiert, muss diskret bleiben.

Als Lady Susan die Tür öffnet, steht da eine kleine, zierliche, blonde Frau in einem schwarzen Lederkostüm. Sie begrüßt mich mit einem breiten Lächeln und bittet mich herein. Kaum habe ich die Türschwelle übertreten, komme ich mir vor wie in einer anderen Welt.

Es ist dunkel, geheimnisvoll und für einen Laien wie mich auch irgendwie sonderbar. In der einen Ecke befindet sich ein kleiner Lounge-Bereich mit Sofa und einem Kaffee-Vollautomaten. In der anderen steht ein Andreaskreuz. Im Hintergrund läuft leise Musik.

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Das Studio S ist ausgestattet mit allem, was ein Fetisch- und SM-Herz höherschlagen lässt – Streckbank, Käfige, Blackbox, Foltergeräte, Lack- und Lederklamotten. Sogar eine echte Zelle im Keller ist vorhanden. Und wie es sich für eine professionelle Domina gehört, gibt es natürlich auch eine Peitschensammlung, die so groß ist, dass wohl jedes Berliner Fetischwarengeschäft vor Neid erblassen würde.

"Bin aus Neugier in den nächstgelegenen SM-Club gefahren"

Die Domina hat einen breit gefächerten Kundenstamm.
Die Domina hat einen breit gefächerten Kundenstamm.  © Studio S

Doch Covid-19 ist auch am Studio S nicht spurlos vorübergegangen:

"Mein Studio war von einem Tag auf den anderen geschlossen", erzählt Lady Susan, die auch bei TikTok aktiv ist, über die Anfänge der Pandemie vor rund zwei Jahren, "das war nicht nur finanziell problematisch, sondern auch für mich persönlich – denn ich arbeite aus Leidenschaft. Wenn dann der Großteil deines Lebens von heute auf morgen wegbricht, ist das eine Katastrophe. Mein Studio war viel länger geschlossen als der Berliner Einzelhandel – acht Monate lang."

Finanzielle Unterstützung gab es in dieser Zeit durch das Land Berlin. Denn die Corona-Hilfen gelten auch für Sexarbeiterinnen und Dominas, zumindest dann, wenn diese ordentlich bei den Behörden angemeldet sind. Überhaupt kann Lady Susan nur wenig Negatives über ihre Erfahrungen mit den Berliner Ämtern berichten. Einzig ihre Berufsanmeldung als Domina vor zwölf Jahren beim örtlichen Finanzamt war eine Herausforderung.

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Es brauchte fünf Anläufe, bis die benötigte Steuernummer endlich da war. Doch seitdem läuft die Kommunikation reibungslos: "Die Ämter sind total entspannt, wenn man selbst entspannt mit ihnen umgeht."

Ihre damalige Entscheidung, als Domina zu arbeiten, bereut Lady Susan bis heute keine Sekunde. Dabei entdeckte sie die Sadomaso-Welt eher durch Zufall für sich: "Ich hatte mich nach einer längeren Beziehung getrennt und bin aus Neugier in den nächstgelegenen SM-Club gefahren. Ich dachte, ich schau es mir einfach mal an. Wenn es nichts für mich ist, kann ich ja wieder gehen. Aber es war genau meine Welt. In der SM-Szene habe ich mich sofort wohlgefühlt. Es war, als käme ich nach Hause."

"Es sind Menschen wie du und ich – Handwerker, Angestellte, Akademiker und auch Politiker"

Für jede Vorliebe gibt es im Studio S das passende Spielzeug.
Für jede Vorliebe gibt es im Studio S das passende Spielzeug.  © Studio S

Freunde und Familie reagierten auf ihren Berufswechsel überraschend positiv. Nur bei neuen Bekanntschaften stößt Lady Susan gelegentlich auf Ablehnung – vor allem bei Männern. Viele würden ihre Tätigkeit als Domina mit der Arbeit einer Prostituierten verwechseln. Bei vielen Dates verschwieg sie daher ihren Job oder erfand irgendwelche Geschichten. Doch das macht sie jetzt nicht mehr – manch einer negativen Reaktion zum Trotz:

"Manche Männer wollen nichts mit mir zu tun haben, wenn sie erfahren, was ich beruflich mache. Einer sagte mal, er könnte doch eine Nutte nicht seiner Mutter vorstellen. Aber ich bin keine Prostituierte. Ich ziehe mich nicht aus. Und ich habe auch keinen Sex mit meinen Gästen."

Doch was sind das eigentlich für Menschen, die zu einer Domina gehen? Was ihre Kundschaft betrifft, hüllt sich Lady Susan in großes Schweigen. Sie verrät lediglich: "Es sind Menschen wie du und ich – Handwerker, Angestellte, Akademiker und auch Politiker." Namen nennt sie keine, Diskretion hat im Studio S oberste Priorität. Nur den Top-Manager, der – ganz klischeehaft – nach der Arbeit vorbeikommt und sich auspeitschen lässt, den gibt es eher selten.

Die meisten Kunden werden durch das Internet auf Lady Susan aufmerksam. Auf bekannten Erotikportalen wie Erobella bietet sie ihre Dienstleistungen an. Das klingt dann meistens so: "Ganz egal, ob du dich gerne mal benutzen lassen möchtest, ob du es liebst, dich zu unterwerfen oder ob du gern mein Gefangener in meinem Kellerverließ sein möchtest. Meine Möglichkeiten und meine Spiellaune sind nahezu grenzenlos und ich bin gespannt, was ich mit Dir alles erleben werde…" (Rechtschreibung übernommen)

"Wenn ich meinen Beruf nicht mehr ausüben könnte, würde eine Welt für mich zusammenbrechen"

Namen ihrer Kunden verrät sie natürlich nicht. Diskretion ist das A und O.
Namen ihrer Kunden verrät sie natürlich nicht. Diskretion ist das A und O.  © Studio S

Die Vorlieben ihrer Gäste sind insgesamt höchst unterschiedlich: Manche wollen stundenlang in einen dunklen Käfig eingesperrt werden. Andere lieben es, sich auspeitschen oder verbal erniedrigen zu lassen. Wieder andere stehen auf Doktor- und Klinikspiele. Wie passend, dass es im Studio S dafür auch eine eigene Praxis gibt – für "sehr besondere Doktorspiele", wie Lady Susan augenzwinkernd sagt. Denn manche Gäste mögen es wirklich sehr, sehr extrem. Auch Blut ist kein Tabu.

Lady Susan sagt über sich selbst und ihre Arbeit: "Ich liebe es einfach, Männern wehzutun. Ich glaube, meine Peitschensammlung spricht da für sich. Es muss aber auch nicht immer körperlich sein. Als Domina kannst du deine Gäste ebenso gut an ihre psychologischen Grenzen bringen. Und genau das gibt mir den Kick. Eine Freundin hat mal gesagt, erst wenn der Gast quiekt und schreit, dann bin ich glücklich, und damit trifft sie wohl den Nagel auf den Kopf."

Hin und wieder gibt es im Studio S auch sehr harmlose, beinahe lustige Rollenspiele, die ganz ohne Gewalt, Blut oder Erniedrigung stattfinden. Ein Kunde kam mal in einem Tigerkostüm vorbei und wollte zwei Stunden lang bloß Tiger spielen. Auch solche Szenen gehören zum Alltag einer Domina dazu.

Angesprochen auf ihre berufliche Zukunft wird Lady Susan nachdenklich. Dass es Politiker und Politikerinnen gibt, welche die Sexarbeit in Deutschland ganz allgemein verbieten und kriminalisieren möchten, macht ihr Sorgen: "Wenn ich meinen Beruf nicht mehr ausüben könnte, würde eine Welt für mich zusammenbrechen. Und nicht nur für mich – auch für meine Kunden. Für viele ist ein Besuch bei mir die einzige Möglichkeit, ihre geheimsten Fantasien und Bedürfnisse auszuleben."

Sie fügt noch an: "Alle reden immer über Selbstbestimmung und Feminismus. Aber wo bleiben denn die Selbstbestimmung und der Feminismus, wenn ich nicht mehr selbst bestimmen darf, womit ich meinen Lebensunterhalt verdienen möchte? Frauen, die diesen Weg selbstbestimmt und eigenverantwortlich gehen, sollten darin unterstützt und nicht stigmatisiert werden."

Lady Susan setzt sich dafür ein, dass Sexarbeit in der Gesellschaft endlich als das anerkannt wird, was sie ist: Arbeit.

Titelfoto: Studio S

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