Zustand der Carolabrücke war "nicht ausreichend": Wieso hat uns niemand gewarnt?

Dresden - Der miese Bauzustand der Carolabrücke (TAG24 berichtet über das Unglück im Liveticker) war seit vielen Jahren bekannt. Prüfungen bescheinigten bereits seit 2013 den Zustand "nicht ausreichend". Dennoch wurde nach der letzten Instandsetzung im Jahr 1996 die fällige Sanierung nicht begonnen - wie kann das sein?

Wer übernimmt Verantwortung für die Katastrophe? OB Dirk Hilbert (52, FDP, l.) und Baubürgermeister Stephan Kühn (45, Grüne) am Unglücksort.
Wer übernimmt Verantwortung für die Katastrophe? OB Dirk Hilbert (52, FDP, l.) und Baubürgermeister Stephan Kühn (45, Grüne) am Unglücksort.  © Montage: picture alliance/dpa

"Tragfähigkeit nicht zeitgemäß", "Bewehrungskorrosion im Überbau", "Überbau trotz Chloridentzug noch restverseucht", "übliche Probleme mit DDR-Spannstahl".

Das ist nur ein Auszug aus der Antwort der damaligen OB Helma Orosz (heute 71, CDU) aus dem Jahr 2013.

Linken-Fraktions-Chef André Schollbach (45) hatte sich bereits damals und in den Folgejahren immer wieder nach dem Zustand der Carolabrücke erkundigt. Fachleute bewerteten schon vor elf Jahren die Brücke im Ergebnis mit der Note 3 - "nicht ausreichend", wonach laut aktuellen Bundes-Richtlinien eine "Instandsetzung in näherer Zukunft" zu planen ist.

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Das heißt allerdings nicht, dass die Brücke als einsturzgefährdet eingestuft worden ist. Auch eine konkrete zeitliche Vorgabe leitet sich offenbar nicht ab, denn es verging weiter viel Zeit ungenutzt.

Diese Schäden zeigte die Verwaltung in einer Präsentation im Jahr 2021.
Diese Schäden zeigte die Verwaltung in einer Präsentation im Jahr 2021.  © Screenshot

Wieso wurde nicht eher mit der Sanierung begonnen?

Genauso wie diesen Schaden.
Genauso wie diesen Schaden.  © Screenshot

"Angesichts der lange bekannten erheblichen Mängel der Carolabrücke stellt sich die Frage, warum mit der Sanierung nicht deutlich früher begonnen wurde", so Schollbach.

Ab November 2019 startete endlich die Sanierung. Allerdings nicht mit dem Brückenzug "C", sondern mit den anderen Teilen, die bei der letzten TÜV-Brückenprüfung vor drei Jahren jeweils bessere Noten erhielten als der nun eingestürzte Zug C, der erneut die Note 3 erhielt.

2021 listete die Verwaltung Schäden auf: "Korrosionsschutz schadhaft", "Durchfeuchtungen", "Risse", "Wassereintritt", plante den Sanierungsstart in 2024.

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Baubürgermeister Stephan Kühn (45, Grüne) versandte im Januar ein "Dringlichkeitsschreiben" an OB Dirk Hilbert (52, FDP). "Die Baudurchführung der Brückeninstandsetzung soll vor dem Winter 2024/25 beginnen, um eine Schadenszunahme an den Spanngliedern durch eindringendes Wasser und Frost zu vermeiden", mahnte er.

Auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2020 sieht man die Ende 2019 begonnene Sanierung des östlichen Brückenzuges (A). Den westlichen Zug (C) gibt es so heute nicht mehr.
Auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2020 sieht man die Ende 2019 begonnene Sanierung des östlichen Brückenzuges (A). Den westlichen Zug (C) gibt es so heute nicht mehr.  © imago images/Andreas Weihs

Prüfverfahren überhaupt geeignet?

Im Juni wurde ein Antrag zum Zustand der Brücken abgelehnt.
Im Juni wurde ein Antrag zum Zustand der Brücken abgelehnt.  © Stadt Dresden

Doch letztlich visierte die Verwaltung für den letzten verbliebenen unsanierten Brückenzug den Sanierungsstart erst für 2025 an - warum, konnte das Rathaus bislang nicht erklären.

Wer übernimmt Verantwortung für das Unglück? Ex-Linken-Stadtrat Tilo Wirtz (57) fragt sich, wieso der eingestürzte Brückenteil bis zuletzt überhaupt noch mit Note 3 abschneiden konnte und stellt das Prüfverfahren infrage. Offenbar sei das nicht geeignet, um die eingetretenen Schäden durch Chloride (Salze) festzustellen.

Angesichts dessen und der regelmäßig vorgenommenen Kontrollen ist es fraglich, ob eine Prüfung "aller Brückenbauwerke", wie sie die Freien Wähler im September 2023 gefordert hatten, neue Erkenntnisse gebracht hätte.

Auch diese Frage bleibt ungeklärt: Eine Mehrheit (27 Ja, 30 Nein) lehnte den Antrag im Juni dieses Jahres im Stadtrat ab.

Hilbert räumte am Abend ein, dass aktuell "einige riesige Fragen" - auch zu möglichen Versäumnissen - noch unbeantwortet blieben, um sich aufs Meistern der aktuellen Situation zu konzentrieren ...

Titelfoto: Montage: picture alliance/dpa

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